Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Kurs von Boeing muss weiter leiden

Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Kurs von Boeing muss weiter leiden
Sämtliche Maschinen des Typs Boeing 737 MAX bleiben bis auf weiteres am Boden.

Von Robert Jakob

Die B737 Max-Katastrophe trifft Boeing zum verkehrten Zeitpunkt. Gerade im letzten Jahr hat das Unternehmen aus Chicago deutlich mehr als in den vorangegangenen drei Quartalen investiert. 2018 wurde insgesamt so viel Geld in Zukunftsprojekte gesteckt, wie in den drei Jahren zuvor zusammen. Die Erwartungen sind riesig. Das hatte sich auch im Aktienkurs manifestiert, der zu Jahresbeginn um rund 40% zulegen konnte, getragen vor allem durch den Bestelleingang. Allein 5000 Exemplare des neuen Passagierflugzeugs warten darauf, zusammengebaut zu werden. Sie hätten den Flieger zum erfolgreichsten Passagierflugzeug in der Geschichte des Unternehmens gemacht. Und das, obwohl bereits alle Vorgängermodelle ungemein erfolgreich waren. Boeing baut auch Militärflugzeuge, Drohnen, Helikopter, Satelliten und Raketen und kommt auf einen Jahresumsatz von über 100 Milliarden Dollar. Der Reingewinn kam im letzten Jahr auf über 10 Milliarden Dollar zu liegen.

Aufträge für sieben lange Jahre
Mit 52 Einheiten pro Monat, wollte Boeing zweieinhalb mal so viele B737 produzieren als alle anderen Boeing-Ziviljets zusammen. Dieser ehrgeizige Plan muss nun revidiert werden. Die 737 800er und 900er sind knapp unter 100 Millionen Dollar zu haben. Von den 5000 bestellten Exemplaren entfällt der Grossteil auf diese Kategorie, was in der Spitze einem Auftragsvolumen von einer halben Billion USD entspräche: Das sind umgerechnet fünf volle Jahresumsätze.

Missglückte Schadensbegrenzung
Boeing wird versuchen, so viel wie möglich zu retten. Aber der Schaden, der durch das zögerliche Update der Flugsteuerungssoftware und die mangelhafte Pilotenschulung entstanden ist, wiegt schwer. Wir hatten am 13. März vorhergesagt, dass die Auswertung des Flugschreibers von Todesflug ET 302 zu denselben Schlüssen kommen wird, wie die von Todesflug LT 610. Donald Trump hat vernünftigerweise schneller reagiert als Boeing CEO Dennis Muilenburg und per Dekret die inkriminierte Flotte vollständig gegroundet (in der Luft befindliche Flugzeuge mussten umgehend landen). Zwar hält man sich bei Boeing immer noch bedeckt, versprach aber vier Tage nach dem kompletten Grounding laut Pressemitteilung, „dass die Software-Updates und das Pilotentraining für Fälle wirrer Flugpositionssensor-Daten zu Ende geführt würden“. Für die Opfer und ihre Angehörigen ist das nun wirklich kein Trost. Zwischen dem Todesflug vom 29.Oktober 2018 und jenem vom 10. März 2019 ist viel zu viel wertvolle Zeit vergangen. Man kann davon ausgehen, dass der schwarze Peter im Verlauf der detaillierten Unfallanalysen wie ein Pingpong-Ball zwischen der Aufsichtsbehörde FAA und Boeing hin- und herfliegen wird.

Kurzfristig gegen den Jetstream
Für Boeing bleiben die Schadenersatzforderungen der Airlines ein genauso grosses Problem wie die stornierten Vorbestellungen. Ein schnelleres Reagieren nach dem Lion-Air-Flug wäre das erste Gebot der Stunde gewesen. Der rein wirtschaftliche Schaden wird bei vielen Hunderten von Milliarden liegen, denn viele Airlines werden nun dem A320 von Airbus das Vertrauen aussprechen und sich genau überlegen, bei wem sie im Zweifelsfall Flugzeuge ordern. Allerdings sollte sich Airbus nicht in selbstgefälliger Sicherheit wiegen. Boeing ist Amerikas wichtigster Rüstungskonzern und ein Turm im Schachspiel um die Weltmacht. Trumps Erhöhung der Militärausgaben war ein Hauptgrund für die Gewinnsteigerung der jüngsten Vergangenheit. Die USA sind für ein Drittel der weltweiten Exporte von Rüstungsgütern verantwortlich. Das Wohlergehen von Boeing ist wichtig für das Imperium. In den nächsten Jahren dürfte das Ringen um die Weltmarktführung in der Luftfahrtindustrie mit extrem harten Bandagen geführt werden. Mit Sicherheit werden Flugzeugbestellungen durch die Chinesen Teil der Verhandlungen über einen Waffenstillstand im Handelskrieg USA-China sein.


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