Roland Ledergerber, Präsident der SGKB-Geschäftsleitung, im Moneycab-Interview

Roland Ledergerber

Roland Ledergerber, Präsident der Geschäftsleitung St. Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Ledergerber, die SGKB schreibt in Ihrer Mitteilung zu den Semesterzahlen von einem «denkwürdigen» Halbjahr. Wie ordnen Sie die letzten Monate ein?

Roland Ledergerber: Etwas vergleichbares habe ich noch nie erlebt. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf uns alle, auf die gesamte Wirtschaft und die Gesellschaft sind massiv. Die Massnahmen zum Schutz vor der Verbreitung des Corona-Virus prägen unseren Alltag, insbesondere auch unsere gesellschaftlichen Kontakte. Die Wirtschaftsleistung brach weltweit ein und für die Schweiz wird für 2020 die stärkste Rezession seit Jahrzehnten erwartet. Zahlreiche Kundinnen, Kunden und Geschäftspartner der St.Galler Kantonalbank müssen sehr schmerzhafte Einschnitte verkraften. Auch die SGKB ist stark gefordert, obwohl die direkten Auswirkungen bisher vergleichsweise glimpflich sind.

Trotz den grossen Herausforderungen konnte der Konzerngewinn leicht gesteigert werden. Welche Faktoren begünstigten das Ergebnis?

Massgebend sind im Wesentlichen drei Faktoren: Erstens ist das Netto-Neugeschäft in den Kundenausleihungen und in den Verwalteten Vermögen sehr erfreulich und wirkt positiv auf die Ertragsentwicklung. Zweitens sind die Erträge in den wichtigsten Geschäftsbereichen, im Zinsengeschäft und im Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft, gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Gleichzeitig ist der Geschäftsaufwand stabil. Und drittens ist die Risikosituation solide und insbesondere das Kreditportfolio befindet sich ein einem sehr guten Zustand.

Das Kreditportfolio befindet sich in sehr gutem Zustand. Dennoch wurden erstmals wieder mehr Rückstellungen für Kreditrisiken gebildet als aufgelöst. Eine reine Vorsichtsmassnahme?

Die Entwicklung der Kreditrisiken wurde in den vergangenen Monaten besonders genau beobachtet. Das Kreditportfolio wurde sorgfältig überprüft. Obwohl bis heute keine erhöhten Risiken feststellbar sind, wurden aufgrund der aktuellen Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung und der aussergewöhnlich hohen Prognoseunsicherheiten aus Vorsichtsüberlegungen Rückstellungen gebildet.

«Zahlreiche Kundinnen, Kunden und Geschäftspartner der St.Galler Kantonalbank müssen sehr schmerzhafte Einschnitte verkraften.»
Roland Ledergerber, Präsident der SGKB-Geschäftsleitung

Im Rahmen der Corona-Soforthilfe nimmt auch die SGKB am Garantieprogramm des Bundes für KMU teil. Wie war die Nachfrage?

Als das Programm am 26. März startete war die Nachfrage in den ersten Tagen enorm. Innerhalb von fünf Arbeitstagen gingen mehr als tausend Gesuche ein. Nach einem Monat waren es bereits mehr als 1500. Und am 31. Juli waren es schliesslich 1753 COVID-19-Kreditlimiten in Höhe von CHF 233 Mio. Diese waren Ende Juli zu 43% beansprucht.

Wie schätzen Sie die längerfristige Wirkung der Massnahmen ein?

Die Überbrückungskredite waren in der ersten Phase der Krise sehr wichtig, um die betroffenen Unternehmen unbürokratisch, gezielt und rasch mit Liquidität zu versorgen. Dies gab Sicherheit und eine gewisse Stabilität. Unternehmen, die vor Ausbruch der Krise in gutem Zustand waren, sollen mit dieser Hilfe besser durch die Krise kommen. Es geht darum, einen Liquiditätsstress zu vermeiden; das ist gut gelungen. Die lange Frist für die Rückzahlung (5 bzw. in Härtefällen 7 Jahre) soll es den Unternehmen ermöglichen, die Kredite zurückzuzahlen.

Wie war die SGKB im Tagesgeschäft über das Garantieprogramm hinaus durch die Pandemie besonders gefordert?

Unser oberstes Ziel war der Schutz der Gesundheit unserer Kundinnen und Kunden sowie unserer Mitarbeitenden. Zu diesem Zweck waren zahlreiche organisatorische und technische Massnahmen erforderlich. In den Kundenhallen, in den Besprechungsräumen sowie auch an den Arbeitsplätzen wurden Schutzmassnahmen ergriffen. Zudem wurden innerhalb weniger Tage die Voraussetzungen geschaffen, damit mehr als 1000 unserer 1300 Mitarbeitenden ganz oder teilweise im Home Office arbeiten konnten. Dadurch waren alle SGKB-Niederlassungen ohne Unterbruch geöffnet und alle Bankdienstleistungen waren jederzeit vollumfänglich verfügbar. Unsere Beraterinnen und Berater waren enorm gefordert, um mit ihren Kundinnen und Kunden unter diesen besonderen Umständen der Verunsicherung in Kontakt zu blieben, sie zu begleiten und kompetent zu beraten.

«Wir unsere Dienstleistungen, unsere Prozesse und die Attraktivität der SGKB für Kundinnen und Kunden und als Arbeitgeberin weiter verbessern.»

Werden sich Arbeitsformen wie Home Office bei der SGKB auch langfristig etablieren?

Die Corona-Pandemie beeinflusst verschiedene Arbeitsformen, die sich in der Folge nachhaltig verändern werden. Eine davon ist Home Office. Auch sind wir bereits daran, die organisatorischen und technischen Möglichkeiten auszubauen, um über Distanz zusammenzuarbeiten oder, wenn dies gewünscht wird, auch Kundinnen und Kunden zu beraten. Auch interne Schulungen, welche bisher in der Regel zentral durchgeführt wurden, sollen vermehrt in Form von Videokonferenzen angeboten werden. So wollen wir unsere Dienstleistungen, unsere Prozesse und die Attraktivität der SGKB für Kundinnen und Kunden und als Arbeitgeberin weiter verbessern.

Wie haben sich die elektronischen Transaktionen zu Lasten der Bargeldbezüge und Schaltertransaktionen entwickelt?

Während der Lockdown-Phase brachen die Schaltertransaktionen, nicht überraschend, um über 50% ein. Der Anteil der elektronischen Transaktionen mit Debit- und Kreditkarten stieg hingegen stark an und ist seither auf relativ hohem Niveau geblieben. Bei den Debitkartentransaktionen konnten wir zudem einen Rückgang der durchschnittlichen Transaktionshöhe feststellen.

Trotz aller Unsicherheiten: Von welcher Entwicklung gehen Sie in der zweiten Jahreshälfte für die Ostschweizer Wirtschaft und deren wichtigste Branchen aus?

Laut dem Anfang August veröffentlichten Konjunkturbericht, der im Auftrag der SGKB und des Kantons St.Gallen vierteljährlich erstellt wird, hat der Konjunkturindex für St.Gallen-Appenzell den Tiefstand im April durchschritten. Zwar liegt er auch aktuell noch im Minus, aber die Aussichten in der Industrie haben sich wesentlich verbessert. In der Bauwirtschaft bleiben die Erwartungen von Vorsicht geprägt. Der Detailhandel profitiert von einer Wiederbelebung des Konsums, rechnet aber für die kommenden Monate nur mit einer marginalen Beschleunigung des Aufschwungs. Alles in allem bleibt die Hoffnung bestehen, dass die Konjunktur allmählich wieder Tritt fasst. Der Aufschwung dürfte aber eher schleppend verlaufen. Die Prognoseunsicherheit ist zudem aussergewöhnlich hoch.

«Die Freude über die grossartige Leistung und den Erfolg des FCSG überwiegt eindeutig. Auftritt, Leidenschaft, Qualität und Spielfreude wirkten ansteckend.»

Als Hauptsponsor des FC St.Gallen dürften Sie in der abgelaufenen Saison ein lachendes und ein weinendes Auge gehabt haben. Was überwiegt: Die Freude über die tolle Saison oder der Frust über das leere Stadion?

Die Freude über die grossartige Leistung und den Erfolg des FCSG überwiegt eindeutig. Auftritt, Leidenschaft, Qualität und Spielfreude wirkten ansteckend. Gemeinsam mit dem FCSG und zahlreichen Sport- und Kultur-Veranstaltern hoffen ich nun, dass die am 12. August bekanntgegebenen Lockerungsmassnahmen wieder zu einer attraktiveren Atmosphäre in den Stadien und an anderen Veranstaltungsorten führen, ohne die epidemiologische Lage zu verschlechtern.

Bietet die aktuelle Situation für die Sponsoring-Engagements der SGKB auch Chancen?

Für unsere Sponsoring-Partner, wie z.B. Rapperswil-Jona Lakers, Walter Zoo Gossau, Konzert und Theater St.Gallen, verschiedene Openairs und andere mehr, ist die aktuelle Situation sehr belastend. Als Sponsoring-Partner verhalten wir uns partnerschaftlich und hoffen, dass sich die Situation bald entschärft und möglichst weitgehend normalisiert.

Letzte Frage: Sie werden im Mai nächsten Jahres 60 Jahre alt und zu diesem Zeitpunkt in den Verwaltungsrat der SGKB wechseln. Bis wann wird Ihre Nachfolge als Präsident der Geschäftsleitung geklärt sein?

Die Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger läuft und ist auf gutem Weg. Wir sollten die Wahl im Spätherbst bekanntgeben können.

Herr Ledergerber, besten Dank für das Interview.

Exit mobile version