Brian Gray, Chief Underwriting Officer Swiss Re.
Monte Carlo – Angesichts des Zinstiefs an den Finanzmärkten stehen die Rückversicherer unter Druck. Deshalb wollen die Nummer zwei und drei der Branche, Swiss Re und Hannover Rück, in ihrem eigentlichen Geschäft dringend höhere Preise durchsetzen. «Die tiefen Zinsen waren der grösste Schock der letzten drei Jahre», sagte der für das Vertragsgeschäft zuständige Swiss-Re-Manager Brian Gray am Montag beim Branchentreffen «Rendez-Vous de Septembre» in Monte Carlo.
Die tiefen Zinsen seien weit bedeutender als die Naturkatastrophen von 2010/11. Hannover-Rück-Chef Ulrich Wallin stellte klar, dass die Rückversicherer daher jetzt im eigentlichen Versicherungsgeschäft genug Geld verdienen müssten, statt mit Niedrigtarifen Marktanteile zu gewinnen.
Griechenlandkrise drückt Aktienkurse
Der Schweizer Versicherer warnte angesichts der niedrigen Zinsen sogar vor einer anhaltenden Branchenkrise. Wenn sich das Verhältnis von Schäden und Kosten zu den Prämieneinnahmen nicht verbessere, «droht die Ertragskraft der Branche mit der Zeit zu erodieren», sagte Swiss-Re-Manager Gray. Für die Aktien der Rückversicherer ging es unter dem Eindruck der griechischen Schuldenkrise deutlich nach unten. Das Swiss-Re-Papier rutschte bis zum frühen Nachmittag mit dem Markt um 5,80 Prozent ab, der Hannover-Rück-Kurs sank um 3,23 Prozent, und für Weltmarktführer Munich Re ging es um 2,52 Prozent nach unten.
Swiss Re und Munich Re noch zurückhaltend
Versicherer kämpfen seit einiger Zeit mit extrem niedrigen Zinsen für vermeintlich sichere Anlagen wie Bundesanleihen oder US-Staatspapiere. Weil diese immer weniger Zinsen abwerfen, sinken bei den Versicherern die Einnahmen aus Kapitalanlagen. Diese sind eine wichtige Erlösquelle für die Unternehmen, da sie auf riesigen Kapitalbeständen sitzen und damit wirtschaften müssen. Nicht nur deshalb hoffen Munich Re, Hannover Rück und Swiss Re, dass sie nach den immensen Katastrophenschäden der vergangenen Monate bei ihren Kunden für 2012 höhere Preise durchsetzen können. Einen klaren Aufwärtstrend sieht allerdings nur die Hannover Rück: Um 3 bis 8 Prozent könnte das Prämienniveau im Schnitt steigen, sagte Vorstandschef Wallin. Swiss Re und Munich Re gaben sich vorsichtiger. Die grosse Preisauftrieb stehe immer noch aus, sagte Swiss-Re-Chef Stefan Lippe. Es sei zunächst eine breite, aber bescheidene Wende am Markt zu erwarten.
Schadenträchtiges Jahr 2011
Bei ihrem Treffen in Monte Carlo sondieren Rückversicherer, Makler und Grosskunden wie die Allianz oder Axa die Konditionen für die Erneuerung ihrer Verträge. Erstversicherer sichern üblicherweise einen Teil ihrer Risiken bei Rückversicherern ab. Die Preise werden dabei auch vom Schadenaufkommen in der jüngeren Vergangenheit beeinflusst. Das laufende Jahr gilt schon jetzt als eines der schadenträchtigsten Jahre für die Versicherungsbranche mit versicherten Schäden zwischen 60 und 70 Milliarden US-Dollar, vor allem durch Erdbeben und Tsunami in Japan, die Beben in Neuseeland, Hochwasser in Australien und die Tornado-Serie in den USA. Versicherungen gegen solche Katastrophen wurden in den vergangenen Monaten bereits um die Hälfte oder gar 100 Prozent teurer. Auch in der Sach-, Haftpflicht- und Kfz-Versicherung zeichneten sich laut Swiss Re und Hannover Rück leicht steigende Prämien ab.
Swiss Re: Blase wird irgendwann platzen
Der Hannover Rück zufolge sollten auch die niedrigen Zinsen an den Finanzmärkten dazu beitragen, dass Rückversicherer nicht mehr mit Niedrigpreisen Marktanteile erkämpfen. Schliesslich könnten die Unternehmen an den Kapitalmärkten kaum noch ausreichend Geld verdienen, um damit wie in früheren Jahren Verluste im eigentlichen Geschäft auszugleichen. Die starke Konkurrenz in der Branche hatte einen nennenswerten Preisanstieg in den vergangenen Jahren verhindert. Laut Swiss-Re-Manager Gray wird dies angesichts der niedrigen Zinsen nicht ewig gutgehen. «Irgendwann wird die Blase platzen», prophezeite er.
Bei der Vertragserneuerung für 2012 will die Hannover Rück ihre Marktanteile weitgehend halten und teilweise ausbauen. Gute Chancen dafür sieht Vorstandschef Wallin vor allem im Spezialgeschäft wie der Transport- und Kreditversicherung sowie in den Schwellenländern. Die Haftpflichtsparten könnten von dem positiven Trend allerdings kaum profitieren, weil die Rückversicherer mehr Kapazität anbieten als nachgefragt wird. (awp/mc/ps)