Schweiz blockiert russische Vermögenswerte über 5,75 Milliarden Franken
Bern – Der Bund hat erstmals Zahlen zu den Sanktionen gegen Russland vorgelegt. Insgesamt wurden bisher Vermögenswerte im Umfang von 5,75 Milliarden Franken eingefroren. Die Behörden stellen sich derweil darauf ein, dass die Zahl der Geflüchteten noch deutlich zunimmt.
Die Summe von 5,75 Milliarden Franken sei eine Momentaufnahme, betonte Erwin Bollinger, Leiter des Leistungsbereichs Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), am Donnerstagvormittag in Bern vor den Medien. Das Seco erhalte laufend weitere Meldungen.
In dem Betrag enthalten sind auch Liegenschaften in Tourismuskantonen – speziell ausgewiesen werden diese aber nicht. Das Seco erwartet namentlich von den Banken, dass sie sich an die Schweizer Rechtsordnung halten. Dazu gehöre die Meldepflicht über gesperrte Vermögenswerte, so Bollinger.
Es dürften noch viele kommen
Gleich zwei Medienkonferenzen gab es am Donnerstag zum Ukraine-Krieg. Am Vormittag informierten in Bern Fachleute des Bundes, der Kantone und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Am Nachmittag trat Justizministerin Karin Keller-Sutter nach einem Besuch des dortigen Asylzentrums in Basel vor die Presse.
Keller-Sutter wagte bei ihrem Auftritt in Basel keine Prognose, wie viele Menschen wegen des russischen Angriffs in die Schweiz kommen werden. Denn man wisse nicht, wie lange der Krieg noch dauern werde. «Wir müssen uns darauf einstellen, dass noch viele kommen», sagte sie. In Gesprächen mit Betroffenen habe sie gemerkt, dass sich die Geflüchteten eine möglichst schnelle Rückkehr in die Heimat wünschen. Wenn sie die Bilder der Zerstörungen in der Ukraine sehe, halte sie dies jedoch leider nicht für realistisch.
Mit Blick auf die Lage im Krisengebiet sprach am Vormittag in Bern Manuel Bessler, Stellvertretender Direktor der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) und Delegierter des Bundesrates für humanitäre Hilfe, von einer humanitären Tragödie.
Die Genfer Konventionen würden mit Füssen getreten, sagte er. Schulen, Spitäler und Wasserversorgungen würden bombardiert. Die Belagerung von Städten wie Mariupol erinnere an das Mittelalter.
Bund baut Kapazitäten aus
Bis Donnerstag wurden in den Bundesasylzentren 13’601 Flüchtlinge aus der Ukraine registriert. Für Unterbringung der Geflüchteten braucht der Bund zusätzliche Plätze. Neben den vorhandenen etwa 9000 Betten seien wohl weitere 2000 bis 3000 nötig, sagte David Keller, Leiter des Krisenstabs Asyl im Staatssekretariat für Migration (SEM).
Dabei geht es um Plätze für Menschen, die weder einem Kanton zugewiesen sind, noch nach der Ankunft in der Schweiz bei Verwandten oder Bekannten unterkommen. In diesem Zusammenhang öffnete die Armee am Donnerstag zwei weitere Unterkünfte für ukrainische Kriegsflüchtlinge. Neu dazu kamen die Infrastrukturen auf dem Glaubenberg OW mit rund 300 Plätzen und in Les Rochats VD mit 160 Plätzen, wie die Armee mitteilte.
Kantone und Gemeinden verfügen zurzeit über genügend Plätze. Von den eigens eingerichteten gut 7500 Plätzen für Geflüchtete aus der Ukraine seien am Mittwoch rund 5500 frei gewesen, sagte Gaby Szöllösy, Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK).
Es würden aber laufend neue Plätze gesucht und gefunden, so Szöllösy. Was hingegen sowohl dem Bund als auch den Kantonen fehlt, ist demnach Personal für die Betreuung der Menschen und für das Herrichten von Liegenschaften.
Ausbeutung verhindern
Nicht in die Rechnung von Bund und SODK einbezogen sind die Gastfamilien, die Geflüchtete aufnehmen wollen. Mittlerweile bieten gut 28’350 Gastfamilien knapp 70’000 Betten an. Innerhalb von zehn Tagen hat die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) 1300 Personen in 537 Gastfamilien platziert.
Es müsse sichergestellt werden, dass Geflüchtete nicht in gefährliche Situationen vermittelt werden, sagte SFH-Direktorin Miriam Behrens. Deshalb verlange man von den Gastfamilien auch einen Strafregisterauszug.
Behrens riet dringend davon ab, aus Ungeduld direkt an Bahnhöfe zu gehen und Flüchtlinge abzuholen, sonst öffne man Tür und Tor für Menschenhandel und Zwangsprostitution.
In die gleiche Kerbe hieb am Nachmittag in Basel Keller-Sutter: Man müsse verhindern, dass Geflüchtete von Kriminellen ausgenutzt und dadurch ein zweites Mal Opfer werden. Menschenhandel sei in derartigen Krisen leider ein verbreitetes und bekanntes Phänomen. Umso wichtiger sei eine sorgfältige Registrierung. «In einigen Monaten werden Sie mich fragen, wer hier genau in der Schweiz ist – und dies zurecht», so die Justizministerin. (awp/mc/ps)