Burkhard P. Varnholt, Chief Investment Officer der Bank Sarasin & Cie AG. (Bild: Video-Aufnahme Sarasin)
Basel – Die Finanzkrise von 2008 hat die wirtschaftliche Freiheit eingeschränkt. Die Explosion der Staatsschulden, die Rettungspakete für nationale Banken sowie zunehmende regulatorische Vorschriften für die Wirtschafts- und Finanzpolitik beeinflussen die Handlungsspielräume von Staaten, Institutionen und Individuen. Dr. Burkhard P. Varnholt, Chief Investment Officer der Bank Sarasin & Cie AG, erklärt in der aktuellen Ausgabe von «Standpunkte», welche Bedeutung Freiheit für die Prosperität und die Stabilität unserer Wirtschaft hat und welche langfristigen Konsequenzen Einschränkungen für Investoren haben. Mit seinen liberal-ökonomischen Betrachtungen zeigt er auf, wie die Eigendynamik der Überregulierung gebremst werden könnte und wie Anleger mit einem ganzheitlichen und nachhaltigen Ansatz die eingeschränkte Freiheit umgehen können.
«Der Mensch ist frei geboren und dennoch liegt er überall in Ketten.» Dieses Zitat des französischen Philosophen Jean-Jacques Rousseau zeigt, dass die individuelle Freiheit mit der kollektiven Freiheit und der Weltordnung verbunden ist. Nicht nur die Einschränkungen bemessen das Ausmass der Freiheit, sondern auch die Möglichkeiten, die Freiheit zu nutzen oder sie wieder zu erlangen. Diese Unabhängigkeit ist eine Voraussetzung für die Prosperität und die Stabilität der Industriestaaten. Drei aktuelle Entwicklungen, die sich als Folge der Finanzkrise von 2008 ergeben haben, schränken die wirtschaftliche Freiheit und damit die Prosperität und Stabilität der Wirtschaftsentwicklung in den Industriestaaten ein: Staatliche Überschuldung, die schleichende Untergrabung der Unabhängigkeit der Geldpolitik sowie Überregulierung.
«Drei regulatorische Defizite haben die Finanzkrise massgeblich mitverschuldet: Die von den USA verworfene Zentralisation von Derivate-Kontrakten, die Eigenkapitaldeckung von Banken sowie der desaströse amerikanische Hypothekarmarkt. Bis heute konnte die Erhöhung der internationalen Eigenkapitalvorschriften für Banken den grössten Fortschritt aufweisen. Doch ist es noch ein weiter Weg, der nächsten Generation den Weg zu bahnen, die momentan in Ketten gelegte Freiheit wieder zu erlangen.»
Dr. Burkhard P. Varnholt, Chief Investment Officer der Bank Sarasin & Cie AG
Staatliche Überschuldung als Folge der Politik und Demografie
Die staatliche Überschuldung ist weniger ein wirtschaftliches Problem, vielmehr geht sie auf die politische und demografische Entwicklung zurück. Die Finanzkrise von 2008 zwang vielen Staaten Schulden auf, um die nationalen Banken am Leben zu halten. In den meisten Fällen konnten die Rettungspakete privatwirtschaftlicher Banken mit einem Gewinn für die beteiligten Staaten rückabgewickelt werden. Die Staaten liessen die Möglichkeit jedoch verstreichen, mit antizyklischen Interventionen den Staatshaushalt zu festigen. Auch wenn die meisten Rettungspakete für die stützenden Staaten gewinnbringend rückabgewickelt wurden, löste die Entwicklung eine Vielzahl an defizitären Konjunktur- und Wachstumspaketen aus. Nur mit beherzten politischen Entscheiden kann die Zahlungsunfähigkeit vieler Industriestaaten in den kommenden Jahren vermieden werden.
Unabhängigkeitsverlust als Problem der aktuellen Geldpolitik
Mit dem Einbezug der Geldpolitik in die Wirtschafts- und Finanzpolitik riskieren die Notenbanken ihre politische Unabhängigkeit. Gute Geldpolitik darf sich nicht den Zwängen der Wirtschaftspolitik unterordnen. Hilft die aktuelle unkonventionelle Geldpolitik den zukünftigen Generationen oder schadet sie eher? USA, England oder Japan zeigen beispielhaft, dass eine Unterordnung der Notenbank unter die Wirtschaftspolitik zu einer elementaren Belastung wird, wenn die Notenbank der grösste Gläubiger des Staates ist.
Regulierung bekämpft oft Symptome statt Ursachen
Zunehmende Finanzmarktregulierungen und staatliche Interventionen im Bankensektor sind keine nachhaltige Antwort auf die Finanzkrise von 2008. Eine international tätige Bank musste beispielsweise in den letzten vier Jahren durchschnittlich mehr als 100‘000 Seiten an neuen regulatorischen Verordnungen in ihren Geschäftsprozessen verankern. Diese immense Menge an Vorschriften ist keine Lösung zur Stärkung der Finanzsysteme. Es braucht klare und nachvollziehbare Regulierungen, um die gemeinsamen Schutzinteressen wie Finanzsystemstabilität, -transparenz und -effizienz, die Prävention von «Too big to fail»-Situationen sowie den Konsumentenschutz zu wahren.
Langfristige Konsequenzen für Anleger
Rohstoffe, Immobilien oder Aktien bieten bei einem zwei- bis dreijährigen Anlagehorizont vor dem Hintergrund fiskalischer Repressionen die besseren Perspektiven als festverzinsliche Wertpapiere, welche den Folgen der Regulierungen stark unterliegen. Traditionell riskantere Anlagen wie Aktien oder Rohstoffe können in unsicheren Zeiten das Anlageportfolio besser stabilisieren als Obligationen. Auch Schwellenländer bieten ein gutes Anlageumfeld. Direktanlagen in Aktien oder Obligationen aus Schwellenländern weisen langfristig die besseren Anlageperspektiven auf als Anlagen in westliche Industriestaaten. Unabhängig von der Anlageklasse verspricht ein strukturierter Anlageprozess derzeit mehr Erfolg als ein intuitiver Ad-hoc-Prozess. Aktive, global ausgerichtete Vermögensverwaltungsmandate verfolgen diesen Verwaltungsansatz und stehen gerade im jetzigen schwierigen Umfeld besser da als Passivanlagen. (Sarasin/mc/ps)