Luxemburg – Deutschland und Frankreich kommen ihrem Ziel einer europäischen Finanzsteuer näher – aber nur im kleinen Rahmen. Zusammen mit Partnerländern nahmen sie die erste Hürde, um in einer «verstärkten Zusammenarbeit» von mindestens neun Staaten die Steuer zu beschliessen. Damit bleiben Dauerblockierer wie Grossbritannien und Schweden aussen vor.
«Zehn Länder haben gesagt: ‹Wir machen das'», sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am Freitag in Luxemburg nach Beratungen mit seinen europäischen Amtskollegen. «Die Voraussetzungen sind nun gegeben, dass wir einen förmlichen Antrag stellen.» Für eine «verstärkte Zusammenarbeit» sind laut EU-Vertrag mindestens neun Staaten nötig. Wegen der strikten Bedingungen wird die «verstärkte Zusammenarbeit» selten angewandt – sie soll etwa auch bei dem seit Jahrzehnten umstrittenen EU-Patent zum Zuge kommen.
Finanzsektor an Krisenbewältigung beteiligen
Bei der Finanzsteuer hatten ausser Deutschland, Frankreich und Österreich schon vor Monaten sechs weitere Länder signalisiert, notfalls in einem kleineren Kreis voranzugehen. Dies sind Belgien, Spanien, Finnland, Griechenland, Portugal und Italien. Zuspruch kommt neuerdings auch aus Slowenien. Mit der Steuer soll der Finanzsektor an den enormen Kosten der Krise beteiligt werden. Laut Diplomaten dürfte die Abgabe auch den EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag kommender Woche in Brüssel beschäftigen.
Schweden und Grossbritannien gegen Abgabe
Dänemarks Wirtschaftsministerin Margrethe Vestager stellte förmlich fest, dass die Verhandlungen für eine Finanzsteuer aller 27 EU-Staaten gescheitert sind. Es gebe keine einstimmige Unterstützung für einen entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission, sagte die amtierende EU-Ratsvorsitzende. Die Befürworter-Staaten müssen sich nun an die Kommission wenden und ihr Vorhaben anmelden. Österreichs Ressortchefin Maria Fekter verband die Einigung auf eine Finanzsteuer explizit mit der Billigung (Ratifizierung) des ESM-Krisenfonds in ihrem Heimatland. Schweden und Grossbritannien lehnen die Abgabe ab. Der britische Ressortchef George Osborne sagte: «Die EU sollte ihre Wirtschaftsleistung steigern und nicht dämpfen.»
Deutschland von Liste der Defizitsünder gestrichen
Die EU-Finanzminister beschlossen auch, Deutschland von der Liste der Defizitsünder zu streichen. Sie stellten dazu das seit 2009 laufende Strafverfahren ein. Wegen der guten wirtschaftlichen Entwicklung war das Haushaltsdefizit Deutschlands zuletzt deutlich gesunken. Nach 1 Prozent 2011 will die Bundesregierung nach früheren Angaben das Defizit im laufenden Jahr auf rund 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung senken – und damit die vorgeschriebene Obergrenze von 3 Prozent klar einhalten. Die Ressortchefs billigten detaillierte Haushalts- und Wirtschaftsempfehlungen an die 27 Staaten. Deutschland soll die Chancengleichheit seiner Bürger verbessern. Berlin müsse mehr für die Ausbildung benachteiligter Bevölkerungsgruppen tun, finanzielle Nachteile für Zweitverdiener beseitigen sowie Kinderbetreuung und Ganztagsschulen ausbauen, heisst es in dem Papier.
Lob für Lagarde-Vorstoss
Schäuble zeigte sich offen für Vorschläge des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu einer tiefgreifenden Reform der Euro-Währungsunion. Ein entsprechender Vorstoss von IWF-Chefin Christine Lagarde sei «völlig in Ordnung», resümierte Schäuble. «Sie würde ihren Aufgaben nicht gerecht, wenn sie dies nicht sagen würde.» Lagarde hatte vor dem Hintergrund der zugespitzten Schuldenkrise unter anderem direkte Bankenhilfen aus den Rettungsfonds EFSF und ESM gefordert. Bisher sind solche Hilfen nicht erlaubt. Der IWF ist auf längere Sicht für eine Bankenunion und eine Fiskalunion, bei der es unter bestimmten Bedingungen auch vergemeinschaftete Schulden geben könnte. Deutschland spricht sich bisher strikt gegen Eurobonds aus.
Vor dem Hintergrund der angespannten Lage zyprischer Banken kündigte Zyperns Ressortchef Vassos Shiarly laut Schäuble an, dass die Regierung in Nikosia demnächst eine Entscheidung treffen werde. «Welche hat er nicht gesagt», so Schäuble. Diplomaten rechnen damit, dass Nikosia schon in der nächsten Woche einen Antrag auf europäische Finanzhilfen zur Stabilisierung der Geldhäuser stellen könnte – im Gespräch sind mehrere Milliarden Euro. (awp/mc/ps)