Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.
Berlin – Die Eurozone stemmt sich gegen ein Übergreifen der Schuldenkrise auf Italien. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte am Dienstag im Deutschlandfunk, man müsse nun vor allen Dingen darauf achten, dass man in einer so nervösen Lage die Ansteckungsgefahren nicht verstärke.
Die Eurozone sei in einer schwierigen Situation, da die zu hohen Schulden einiger Mitgliedsländer das Vertrauen gefährdeten: «Deswegen müssen wir gemeinsam handeln.» Die Finanzminister der 27 EU-Staaten kommen am heutigen Dienstag in Brüssel zusammen, um eine gemeinsame Strategie zur Absicherung der europäischen Bankenbranche zu beraten.
Fortgesetzte Talfahrt an Märkten
Schäuble wies Befürchtungen zurück, nach Griechenland könne auch Italien Finanzhilfen der Europartner brauchen: Der italienische Finanzminister habe einen Haushaltsentwurf vorgelegt und es bestehe kein Zweifel, dass dieser im Parlament auch so beschlossen werde. «Sobald das so ist, wird auch diese Spekulation wieder zurückgehen.» Bislang erhalten Griechenland, Irland und Portugal Unterstützung von den Europartnern und dem IWF. Die Märkte blieben am Dienstagvormittag in schwarzer Stimmung: Der Dax setzte seine Talfahrt fort und verlor in den ersten zwei Handelsstunden rund zweieinhalb Prozent. Der EuroStoxx 50 der wichtigsten europäischen Werte war drei Prozent im Minus. Der Euro sank unter die Marke von 1,40 US-Dollar. Am Morgen kostete die Gemeinschaftswährung im Tief 1,3930 Dollar – so wenig wie seit Mitte März nicht mehr.
«Ratingagenturen sitzen grundlos auf dem hohen Ross»
Schäuble erneuerte davor seine Kritik an den Ratingagenturen und stellte Gegenmassnahmen in Aussicht: Es sei problematisch, dass «wir fast ein Oligopol von drei grossen Agenturen haben, die den Markt weitgehend beherrschen». Besser wären mehr Vielfalt und Wettbewerb. «Wir überprüfen das ganze Instrumentarium, auch das kartellrechtliche Instrumentarium, damit wir Missbräuchen, die es möglicherweise geben kann, auch entsprechend entgegenwirken können», erklärte Schäuble. Die Ratingagenturen hätten keinen Grund, auf einem hohen Ross zu sitzen. Die Euro-Finanzminister wollen im Kampf gegen die Ausbreitung der Schuldenkrise den Rettungsfonds für klamme Euro-Staaten für neue Aufgaben einsetzen. Die Laufzeiten von Krediten sollen verlängert werden und die Zinsen sinken, sagte der Vorsitzende der Ministerrunde, Jean-Claude Juncker, am Montagabend in Brüssel nach über achtstündigen Beratungen.
Rehn und Lagarde beschwichtigen
EU-Währungskommissar Olli Rehn schloss nicht aus, dass der EFSF-Fonds künftig auch Staatsanleihen von Privatgläubigern kaufen oder Schuldenländern den Rückkauf eigener Anleihen ermöglichen könnte. Bisher ist das nicht möglich. Entscheidungen dazu sollten «so schnell wie möglich» fallen. Rehn sagte mit Blick auf Italien: «Wir sind sehr besorgt über die jüngsten Marktentwicklungen.» Auch die neue Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, versucht Sorgen über Italien zu dämpfen: «Italien hat ganz klar im Moment mit Problemen zu tun, die im Wesentlichen von den Märkten befeuert wurden», sagte sie am Montag (Ortszeit) in Washington. Einige der Wirtschaftsdaten des Landes seien «exzellent»; ein grosser Teil der Schulden werde im Inland gehalten. Das bedeutet, dass der Einfluss internationaler Märkte begrenzt ist.
Italien: Risikozuschläge steigen
Die Direktorin der globalen Finanzfeuerwehr zeigte sich aber zugleich überzeugt, dass «die italienische Regierung zusammen mit ihren Partnern darauf ein Auge hat». Allerdings sei ebenso klar, dass sich das italienische Wirtschaftswachstum verbessern müsse. Zusammen mit den beschlossenen Massnahmen zur Bekämpfung der Schuldensituation sei dies entscheidend, um die Lage wieder zu normalisieren. In Italien sind die Aufschläge für langfristige Staatsanleihen nach oben gegangen – es gibt deshalb die Befürchtung, dass sich die von Griechenland ausgehende Schuldenkrise auf das Gründungsmitglied der EU ausbreiten könnte. Italien ächzt unter einem riesigen Schuldenberg von 1,84 Billionen Euro – das Land ist damit allein für fast ein Viertel der Staatsschulden aller 17 Euroländer verantwortlich. (awp/mc/ss/upd/ps)