Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.
Berlin – Die Bundesregierung kann sich auf eine breite Unterstützung der schwarz-gelben Koalition bei ihrem umstrittenen Griechenland-Kurs stützen. Ein gemeinsamer Entschliessungsantrag der Regierungsfraktionen zu weiteren Milliarden-Hilfen an Athen fand am Freitag im Bundestag die nötige Mehrheit von Union und FDP.
Aus den Koalitionsreihen gab es allerdings fünf Gegenstimmen. Das sind aber weniger Abweichler als bei einem Probevotum zuvor. Die Opposition lehnte den Antrag ab. Sie wirft der Regierung einen Zick-Zack-Kurs und mangelnde Transparenz vor. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warb zuvor eindringlich um Unterstützung für eine «weiche» Umschuldung Griechenlands und ein zweites Hilfspaket. Die Koalition knüpft ihre Zustimmung für weitere Finanzhilfen an Bedingungen. So fordern Union und FDP wie Schäuble eine Beteiligung privater Geldgeber an einem zweiten Hilfspaket. Zugleich pocht die Koalition auf einen strikten Privatisierungs- und Reformkurs Athens.
Beteiligung des Privatsektors weiterhin offen
Mit dem Parlamentsbeschluss des grössten Geberlandes der Euro-Zone im Rücken kann die Bundesregierung bei den Verhandlungen mit den europäischen Partnern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) ihren Forderungen zwar Nachdruck verleihen. Ob es aber am Ende zu der geforderten Beteiligung des Privatsektors kommt, ist offen. Bedenken gibt es unter anderem bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Bei einer Abstimmung beider Koalitionsfraktionen in der Nacht zu Freitag gab es noch neun Nein-Stimmen. In der Union waren acht Abgeordnete gegen den Antrag, vier enthielten sich. Bei der FDP stimmte ein Abgeordneter mit Nein, ein weiterer enthielt sich.
Schäuble warnt vor griechischer Staatspleite
In seiner Regierungserklärung warnte Schäuble vor den Folgen eines Scheiterns und einer Staatspleite. «Die Lage in Griechenland und damit in Europa ist ernst.» Für die nächste Hilfszahlung von 12 Milliarden Euro Anfang Juli müsse noch eine Finanzierungslücke geschlossen werden: «Ohne Auszahlung dieser nächsten Tranche besteht die akute Gefahr der Zahlungsunfähigkeit Griechenlands mit schwerwiegenden Folgen für die Stabilität der Euro-Zone insgesamt, aber auch mit schwerwiegenden Risiken für die globale Entwicklung.»
«Die letzte Entscheidung liegt bei den Griechen selbst»
Um die Juli-Tranche auszahlen zu können, seien weitere Hilfen und ein zusätzliches Anpassungsprogramm nötig. Den Umfang eines möglichen neuen Rettungspakets bezifferte Schäuble nicht: «Man kann das nicht.» Zuletzt war die Rede von einem Finanzbedarf von 90 bis 120 Milliarden Euro. Der müsste aber nicht komplett über ein neues Kreditpaket gedeckt werden. Der Minister wies zugleich darauf hin, dass auch Athen weitere Anstrengungen zur Sanierung des Haushalts unternehme. «Die letzte Entscheidung liegt bei den Griechen selbst.»
Schmaler Grat
Schäuble machte deutlich, dass er die Bedenken der EZB zur Beteiligung privater Geldgeber respektiert und eine gemeinsame Lösung anstrebt. «Wir nehmen skeptische Stimmen und Warnungen aus der Europäischen Zentralbank zur Privatsektor-Beteiligung ernst.» Eine Arbeitsgruppe lote «den schmalen Grad zwischen nennenswerter Beteiligung des Privatsektors und Vermeidung negativer Finanzmarktreaktionen» aus. Schäuble schlägt vor, dass Banken alte griechische Staatsanleihen gegen neue mit längerer Laufzeit von sieben Jahren umtauschen. Sie bekämen ihr Geld später, aber zu unveränderten Zinskonditionen zurück. Griechenland soll so die nötige Zeit bei den Reformen erhalten und Marktvertrauen zurückgewinnen.
Steinmeier: «Verantwortung geht nur mit Transparenz»
«Ein solches Verfahren minimiert das Risiko negativer Kapitalmarktreaktionen, stellt eine faire Lastenteilung zwischen Steuerzahler und privaten Gläubigern sicher, und es sendet (…) ein deutliches Signal an alle, dass eigene Verluste nicht umstandslos auf die Steuerzahler abgewälzt werden können», sagte Schäuble. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sicherte zu, die SPD wolle Verantwortung übernehmen. Dazu sei aber mehr Offenheit der Regierung nötig. «Verantwortung geht nur mit Transparenz.» Er hielt der Regierung vor, sie habe in der Euro-Krise ihre Positionen korrigieren müssen und damit eine Vorreiterrolle eingebüsst.
Grüne: «Ritt auf der Rasierklinge»
Die Grünen sprachen sich für eine «harte» Umschuldung in Form eines Schuldenschnitts aus. Fraktionsvize Fritz Kuhn sagte, es müsse allen Gläubigern klar sein, dass sie auch ein Risiko zu tragen hätten. Der Entschliessungsantrag sei ein «Ritt auf der Rasierklinge», weil er die Möglichkeit enthalte, gegen die nächste Tranche für Griechenland oder gegen neue Hilfen zu stimmen. Nach Ansicht von Linken-Fraktionschef Gregor Gysi haben die den Griechen aufgezwungenen Reformen die Krise im Land verschärft. Die Euro-Finanzminister wollen am 20. Juni über weitere Massnahmen berichten. Neben dem Beitrag der Privatgläubiger soll Athen einen eigenen Anteil mit Erlösen aus der Privatisierung finanzieren.
EFSF-Chef Regling sieht Eurorettung auf gutem Weg
Der Chef des Euro-Rettungsfonds (EFSF) Klaus Regling sieht die Eurozone auf einem gutem Weg. «Die Rettung des Euro funktioniert», sagte Regling am Freitag in Frankfurt. «Eine Transferunion kann vermieden werden.» Regling verwies zudem auf die Haushaltskonsolidierung in den Mitgliedsländer. Auch die Anstrengungen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und der besseren Überwachung des Bankensektors seien auf einem guten Weg. Auf europäischer Ebene hätten sich die Rahemenbedingungen unter anderem durch die Reform des Stabilitäspaktes geändert. Insgesamt seien die Massnahmen seien weitgehend genug, um die Probleme zu lösen.
Droht Reformmüdigkeit in Schuldenländern?
Es gebe aber auch Risiken. Eine Gefahr sieht Regling jedoch in einer möglichen Reformmüdigkeit in den Schuldenländern. Aber auch in den Geberländern wie Deutschland, Finnland oder den Niederlanden könnte der Widerstand gegen weitere Kredite steigen. «In diesen Ländern muss klar gemacht werden, dass es nicht zu einer Transferunion kommt.» Entscheidend sei das Vertrauen der Finanzmärkte zu erlangen. Der EFSF wird bisher durch Portugal und Irland in Anspruch genommen. (awp/mc/ss/upd/ps)