Schuldenkrise: Sondergipfel der Euro-Staaten möglich

Schuldenkrise: Sondergipfel der Euro-Staaten möglich

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy.

Brüssel – Mit allen Mitteln wollen die Staats-und Regierungschefs der 17 Euroländer eine Ausbreitung der Schuldenkrise auf grosse Länder wie Italien oder Spanien verhindern. Wegen der sich immer weiter zuspitzenden Lage auf den Finanzmärkten ist ein Krisentreffen an diesem Freitag (15.7.) geplant, wie Diplomaten am Dienstag in Brüssel sagten.

Die Finanzmärkte nehmen derzeit das hoch verschuldete EU-Gründungsmitglied Italien unter Beschuss: Sie verlangen sprunghaft steigende Gefahrenzulagen für italienische Staatsanleihen. Das hoch verschuldete Italien will nun aufs Tempo drücken und mit vereinten Kräften ein Sparpaket in Höhe von rund 47 Milliarden bis Freitagabend durchs Parlament bringen. Überraschend versprachen Medienberichten zufolge die Oppositionsparteien am Dienstag, möglichst wenige Einsprüche im Abgeordnetenhaus vorzulegen, um das Paket bis zum Freitagabend auch durch die zweite Kammer zu bringen. Der Senat, in dem Regierungschef Silvio Berlusconi eine sichere Mehrheit hat, soll das Paket schon am Donnerstag verabschieden. Unterdessen geriet der Euro am Dienstag unter Druck und rutschte unter die Marke von 1,40 Dollar. Spekulationen über ein mögliches Eingreifen der EZB stoppten die Euro-Talfahrt vorerst. Der Dax war kurz vor Handelsschluss knapp ein Prozent im Minus, nachdem er zwischenzeitlich mehr als drei Prozent abgegeben hatte.

Krisengipfel nicht ausgeschlossen
Zu einem baldigen Krisengipfel sagte der Sprecher von EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy der Nachrichtenagentur dpa: «Es ist nicht ausgeschlossen, aber noch nicht entschieden.» Der Belgier Van Rompuy bereitet Gipfeltreffen vor und führt diese auch. In deutschen Regierungskreisen allerdings hiess es am Dienstag, es gebe noch keine konkreten Planungen für einen Sondergipfel an diesem Freitag. Die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen Italiens kletterten am Dienstag erstmals seit 1997 zeitweise über die Marke von sechs Prozent. An der Höhe der Rendite bemisst sich die Gefahrenzulage, die der Kapitalmarkt für das jeweilige Land verlangt. Auch in Spanien – nach Italien die viertgrösste Euro-Wirtschaft – legten die Renditen zeitweise stark zu. Später entspannte sich die Lage etwas. In Deutschland liegt die zehnjährige Rendite mit 2,5 Prozent wesentlich niedriger.

«Italien in der ersten Reihe»
Italiens Regierungschef Berlusconi beteuerte am Dienstag nach tagelangem Schweigen die Stabilität des Landes. Im Kampf gegen die europäische Schuldenkrise stehe «Italien in der ersten Reihe», sagte der skandalumwitterte Medienmogul, wenngleich die Krise der Finanzmärkte ganz Europa und die europäische Einheit als solche betreffe. Der Fraktionsführer der grössten Oppositionspartei PD im Abgeordnetenhaus, Dario Franceschini, sagte mit Blick auf das Sparpaket: «Wir werden alles dafür tun, um die Massnahmen bis Ende der Woche zu verabschieden, auch wenn wir nicht einverstanden sind.» Sein PD-Parteichef Pierluigi Bersani hatte das Sparpaket noch vor wenigen Tagen als «sozialen Kahlschlag» bezeichnet. EU-Währungskommissar Olli Rehn sagte beim Finanzministertreffen in Brüssel: «Wir sind uns natürlich bewusst, dass wir uns in einer ernsten Phase der Schuldenkrise befinden.» Diese Krise müsse eingegrenzt werden, um eine Ansteckung anderer Länder zu verhindern.

Schäuble: Werden alles Erforderliche tun
Zuletzt waren die 17 Staats- und Regierungschefs der Eurozone am 11. März zu einem Sondertreffen zusammengekommen. Sie beschlossen damals Massnahmen zur Absicherung der Euro-Währung. In den vergangenen Monaten hatte sich Van Rompuy mit Krisentreffen der «Chefs» zurückgehalten. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble versicherte, es werde alles unternommen, um die finanzielle Stabilität des Eurogebiets zu sichern. «Wir sind über Griechenland hinaus bereit, alles Erforderliche zu tun.» Die Euro-Finanzminister beschlossen, in Kürze ein neues Rettungspaket für Schuldensünder Griechenland aufzulegen. Im Kampf gegen die Schuldenkrise soll ausserdem der Rettungsfonds für klamme Eurostaaten (EFSF) neue Aufgaben bekommen, beschlossen Euro-Kassenhüter. Dazu soll es bald konkrete Vorschläge geben. Die Laufzeiten von Krediten sollen verlängert werden und die Zinsen sinken. Wenn nötig, könnten Schuldensünder mit Vermögenswerten haften – damit kommt die Eurozone finnischen Forderungen nach.

EFSF soll Kauf von Staatsanleihen ermöglichen
Rehn schloss nicht aus, dass der EFSF-Fonds künftig den Kauf von Staatsanleihen von Privatgläubigern finanzieren oder Schuldenländern den Rückkauf eigener Anleihen ermöglichen könnte. Bisher ist das nicht möglich. Erst vor Kurzem hatten die Europäer beschlossen, die Garantien für diesen Fonds auf 780 Milliarden Euro auszuweiten. Zur Eindämmung der Schuldenkrise stehen die 27 EU-Staaten bereit, kriselnde Banken mit staatlichem Geld vor der Pleite zu bewahren: Sollten bei den europaweiten Stresstests von den 91 getesteten Geldhäusern Kandidaten durchfallen, wollen die Regierungen wie bereits nach der Bankenkrise 2008 mit Finanzspritzen beispringen. Eine entsprechende Erklärung gaben die EU-Finanzminister ab. Die Branche steht unter enormen Druck, weil an diesem Freitag die Ergebnisse der Tests veröffentlicht werden. Es gilt als sicher, dass einige Geldhäuser diese zweite Runde nicht bestanden haben. (awp/mc/upd/ss)

Schreibe einen Kommentar