Schwache Inflation setzt EZB unter Handlungsdruck
EZB-Präsident Mario Draghi. (Bild: EZB)
Luxemburg – Der zunehmend schwächere Preisauftrieb erhöht den Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB), ihre Geldpolitik weiter zu lockern. Laut Zahlen der europäischen Statistikbehörde Eurostat fiel die Inflationsrate im Euroraum im März um 0,2 Prozentpunkte auf 0,5 Prozent. Damit steigen die Verbraucherpreise auf Jahressicht so schwach wie seit Herbst 2009 nicht mehr. Die Markterwartungen von plus 0,6 Prozent wurden verfehlt. Wegen zahlreicher Sonderfaktoren sowie der absehbar anziehenden Erholung im Euroraum gehen Bankvolkswirte jedoch nicht von einer schnellen Reaktion der Notenbank aus.
Ein guter Teil der geringen Teuerung geht nach wie vor auf fallende Energiepreise zurück. Sie lagen im März 2,1 Prozent tiefer als ein Jahr zuvor. Zudem schwächte sich der Preisauftrieb bei Nahrungsmitteln, Alkohol und Tabak weiter ab. Allerdings fiel auch die Kernrate, die schwankungsanfällige Komponenten wie Energie ausklammert. Mit 0,8 Prozent liegt sie nur geringfügig über ihrem im Dezember erreichten Rekordtief von 0,7 Prozent. Der Grund: Industrielle Güter und Dienstleistungen verteuerten sich ebenfalls weniger stark als im Vormonat.
Keine EZB-Lockerung erwartet
Die neuen Zahlen stehen dem Auftrag der Europäischen Zentralbank (EZB) entgegen, für stabile Preise im Euroraum zu sorgen. Die Notenbank strebt mittelfristig eine Inflationsrate von knapp zwei Prozent an, weil sie bei diesem Niveau Preisstabilität als gewährleistet ansieht. Der geldpolitische Rat der EZB kommt an diesem Donnerstag zu seiner monatlichen Zinssitzung zusammen. Trotz der rückläufigen Inflation rechnen Beobachter mehrheitlich nicht mit einer abermaligen Lockerung der Geldpolitik.
Die Unicredit nennt in einem Kommentar mehrere Sonderfaktoren für die schwache Teuerung. Zum einen liege das Osterfest in diesem Jahr relativ spät, was den Preisauftrieb im März gedämpft habe. Zum anderen habe das milde Winterwetter die Preise frischer Lebensmittel niedrig gehalten. Europa-Chefvolkswirt Marco Valli verweist zudem auf statistische Umstellungen in Frankreich. Wegen des starken Gewichts derartiger vorübergehender Effekte sei eine Reaktion der EZB am Donnerstag unwahrscheinlich, schätzt Valli.
Trüber Inflationsdruck
Hingegen kommt Volkswirt Christian Schulz von der Berenberg Bank zu dem Schluss, dass sich der der mittelfristige Inflationsausblick der EZB weiter eingetrübt habe. Die Debatte im EZB-Rat über eine zusätzliche Lockerung dürfte deswegen wieder Fahrt aufnehmen. Es gibt aber auch Gegenargumente: Zahlreiche Beobachter verweisen darauf, dass die konjunkturelle Erholung im Euroraum zusehends an Breite gewinne, was auch wieder höhere Inflationsraten erwarten lasse. «Für einen weiteren Rückgang der Inflation müssten schon die Energiepreise deutlich nachgeben oder der Euro massiv aufwerten», heisst es in einem Kommentar der Commerzbank.
Darüber hinaus ist der Preisdruck auch Folge des Sparkurses vieler Eurostaaten: So versuchen die Unternehmen in angeschlagenen Ländern, wieder wettbewerbsfähiger zu werden, indem sie ihre Kosten senken. Das lastet auf der Nachfrage, weil die Löhne kaum steigen und zudem die Arbeitslosigkeit hoch ist. In der Folge legen die Preise für Güter und Dienstleistungen nur schwach zu. In einigen Ländern fallen sie sogar: Erst am Freitag war bekannt geworden, dass Spanien – viertgrösste Volkswirtschaft im Euroraum – in eine leichte Deflation gefallen ist. (awp/mc/ps)