Schweiz erlebt bestes Börsenjahr seit 2006
Zürich – Unternehmen sind 2014 an die Börsen gestürmt: Sie beschafften dadurch insgesamt 257 Milliarden US-Dollar, über die Hälfte mehr als im Vorjahr. Gemäss der aktuellen EY-Studie wagten weltweit 1’206 Unternehmen diesen Schritt, das ist ein Drittel mehr als 2013. Fast die Hälfte der Börsengänge fand in Asien statt, am meisten Kapital wurde an den US-Börsen gelöst und das stärkste Wachstum verzeichnete Europa. Die Schweiz erlebte mit sechs Börsengängen und einem Gesamtvolumen von 1,68 Milliarden US-Dollar das wertvollste Börsenjahr seit 2006. 2015 wird voraussichtlich ein ähnlich starkes Jahr wie 2014.
Die Anzahl und vor allem der Wert der weltweiten Börsengänge ist 2014 wie auch im Jahr zuvor erneut gestiegen. Die Kursturbulenzen haben im Oktober aber viele Unternehmen von einem Börsengang (Initial Public Offering, IPO) abgehalten und ein absolutes Rekordjahr verhindert. Der mit weitem Abstand grösste IPO war gemäss den Ergebnissen des aktuellen weltweiten IPO-Barometers des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY derjenige des chinesischen Internethändlers Alibaba mit einem Volumen von 25 Milliarden US-Dollar.
«2014 war das beste IPO-Jahr seit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise 2007. Ohne den unerwarteten Taucher im letzten Quartal wären wohl einige Rekorde gebrochen worden. Trotz der anhaltenden geopolitischen Unsicherheit und obwohl sich die Weltwirtschaft weniger dynamisch entwickelte als erwartet, konnten alle grossen Börsenplätze starke Zuwächse verzeichnen», fasst Roger Müller, IPO Leader bei EY Schweiz, zusammen. «Gestützt wurde der Markt 2014 von der Niedrigzinspolitik der Notenbanken, den hohen Bewertungsniveaus vieler Firmen, einer meist geringen Volatilität und klar über dem Markniveau liegenden Renditen der Neueinsteiger», analysiert Müller das ablaufende Jahr. Die Aktien der neu an den Börsen gehandelten Unternehmen waren sehr gefragt und warfen im Durchschnitt über drei Mal mehr Gewinn ab als der Gesamtmarkt.
US-Volumen auf 15-Jahres-Hoch
Bei Börsengängen auf dem nordamerikanischen Kontinent wurde 2014 am meisten Kapital aufgenommen: Bei 288 IPOs kamen 95,2 Milliarden US-Dollar zusammen. So viele Neueinsteiger sahen die US-Börsen letztmals 2004 und seit 1999 wurde nie mehr so viel Geld gelöst. Am meisten Unternehmen wagten sich im Raum Asien/Pazifik auf das Börsenparkett: Bei ganzen 546 IPOs wurden 81,4 Milliarden US-Dollar gelöst. In der EMEIA-Region (Europa, Mittlerer Osten, Indien und Afrika) erzielten die 353 neu an die Börse gelangten Unternehmen Einnahmen von 74,9 Milliarden US-Dollar.
Europa legt am stärksten zu
Das weltweit grösste Wachstum legte der europäische IPO-Markt hin: Hier stieg die Zahl der Börsengänge um 63 Prozent von 159 auf 259. Das Emissionsvolumen verdoppelte sich sogar auf 62 Milliarden US-Dollar. Der grösste Börsengang in Europa war der IPO der NN Group, der Versicherungssparte des Finanzkonzerns ING, mit einem Emissionsvolumen von 2,4 Milliarden US-Dollar. Den klar grössten Teil sicherten sich abermals britische Börsen: Mit 112 (Vorjahr: 73) Börsengängen entfielen 43 Prozent aller europäischen IPOs auf Grossbritannien.
Schweiz mit 1,68 Milliarden US-Dollar
Die Schweiz verzeichnete im auslaufenden Jahr sechs Börsengänge mit einem Gesamtvolumen von 1,68 Milliarden US-Dollar. Mehr IPOs (10) wurden letztes Mal 2007 verzeichnet. Um ein höheres Jahresvolumen (2,74 Milliarden US-Dollar) zu finden, muss man bis ins Jahr 2006 zurückgehen. Für den grössten Schweizer IPO sorgte 2014 der Maschinenbauer SFS Group mit 804,2 Millionen US-Dollar. Der Internet-Reiseanbieter Bravofly holte 296,3 Millionen US-Dollar, die HIAG Immobilien Holding AG 217,6 Millionen, die Thurgauer Kantonalbank 180,4 Millionen, das Biotechunternehmen Molecular Partners 102,4 Millionen und die Glarner Kantonalbank 62,5 Millionen. Zwei in der Schweiz ansässige Unternehmen entschieden sich zudem für einen Börsengang an der US-Technologiebörse NASDAQ.
«Insgesamt fällt die Jahresbilanz für den Schweizer Markt sehr gut aus, wenn auch weniger erfreulich als noch zu Herbstbeginn erwartet: Kurzfristig verhinderten ein schwieriges Kapitalmarktumfeld, vorübergehend sinkende Börsenkurse sowie Konjunktursorgen den erhofften starken Jahresausklang», erläutert Roger Müller.
Finanzinvestoren, Cross-Border-IPOs und starke Branchen
Haupttreiber des weltweiten IPO-Marktes waren wieder Finanzinvestoren: Sie nutzten die hohen Kurse und verkauften Beteiligungen, die sie während des letzten Wirtschaftsbooms erworben hatten. 2014 brachten Finanzinvestoren weltweit 328 Unternehmen an die Börse (2013: 249), das Emissionsvolumen dieser Transaktionen betrug insgesamt 124 Milliarden US-Dollar – nach 67 Milliarden im Vorjahr.
2014 verstärkte sich ein Trend: Immer mehr Firmen gehen nicht in ihrem Heimatland aufs Parkett. Mehr als jeder zehnte Börsengang war 2014 ein sogenannter Cross-Border-IPO. Die grösste Sogwirkung hatten die US-Börsen und die vielen kapitalkräftigen Investoren aus den USA: Über die Hälfte aller grenzüberschreitenden IPOs fand in den USA statt. Ebenfalls attraktiv war London, wohin es knapp einen Viertel dieser Firmen zog. Der IPO-Boom 2014 ist zudem breit abgestützt: Die meisten Börsengänge verzeichneten der Life-Sciences-Sektor (193 IPOs, 16 Prozent), die Technologiebranche (167 IPOs, 14 Prozent) und die Industrie (142 IPOs, 12 Prozent).
Optimistischer Ausblick für 2015
«Ein Zinsanstieg ist kurzfristig nicht in Sicht, daher bleibt die Liquidität hoch und wenn die globalen Aktienmärkte stark bleiben, ist auch für 2015 ein ähnlich starkes IPO-Jahr wird wie 2014 zu erwarten. Weitere Börsenkandidaten haben sich vorbereitet und sind bereit für den Gang an die Börse im Jahr 2015», schätzt Müller die Lage ein. Für das erste Quartal des kommenden Jahres rechnet EY weltweit mit einem Gesamtemissionsvolumen von etwa 55 Milliarden US-Dollar.
In der Schweiz sind gemäss Müller die Rahmenbedingungen für Börsengänge weiterhin gut. «Nach einem ersten IPO-Fieberschub im ersten Halbjahr 2014 und einer Börsenhausse im vierten Quartal wird sich das Fenster für Börsengänge nach der Berichtssaison 2015 wieder weit öffnen», ist Müller überzeugt. «Es gibt vielversprechende Kandidaten, die einen Börsengang 2015 ins Auge fassen. Daher rechnen wir mit ähnlich vielen IPOs wie im ablaufenden Jahr.» (EY/mc/pg)