Schweizer Aktien sind wieder interessant

Schweizer Aktien sind wieder interessant
Nicolas Bürki, CFA, Finanzanalyst und Portfoliomanager bei Reyl Intesa Sanpaolo. (Foto: zvg/mc)

Die Aussichten für das Wirtschaftswachstum 2025 sind günstig, aber es gibt einige Unsicherheiten. Für die Portfolioallokation heisst das: Neutral bei Anleihen, Übergewicht in Aktien und Untergewicht in alternative Anlagen.

von Nicolas Bürki, CFA, Finanzanalyst und Portfoliomanager, Reyl Intesa Sanpaolo

Geografisch gesehen sind wir bei Aktien in den USA vorsichtig. Wir haben uns im S&P 500 Index diversifiziert. Er ist seit letztem Sommer gleichgewichtet, um den hohen Preisen der «Magnificent 7» Rechnung zu tragen und stärker in mittelgrossen US-Werten engagiert zu sein. In Europa sind wir übergewichtet, wobei wir ähnlich argumentieren und Small und Mid Caps bevorzugen, die ein attraktives Gewinnwachstum, ein geringeres geopolitisches Risiko und eine attraktivere Bewertung aufweisen.

Sinkende Zinsen und gutes Gewinnwachstum
Wir werden das politische Risiko im Auge behalten. Die Frage ist, ob wir einen Big Bang, mehrere Big Bangs oder vier Jahre des täglichen Rinnsals erleben werden. Es gibt viele Fragen zur tatsächlichen Umsetzung des Programms von Donald Trump, insbesondere zum Umfang der Zölle. Bei den Einzeltiteln werden in der Pharmaindustrie die finanziellen Auswirkungen der aktuellen therapeutischen Informationen im Durchschnitt vier bis fünf Jahre lang anhalten. Moderna ist ein Unternehmen mit fast nur einer therapeutischen Indikation, was Prognosen für das Unternehmen schwierig macht. Der Markt hat sich stark auf Fettleibigkeit konzentriert und zieht zunehmend Therapien im Zusammenhang mit der Alzheimer-Krankheit in Betracht. Es hat sich nun herausgestellt, dass der Gewichtsverlust nur 22,7 und nicht 25 Prozent betrug, wie vom Analystenkonsens erhofft. Wir gehen davon aus, dass sich das Duopol von Novo Nordisk und Eli Lilly in den nächsten zwei bis drei Jahren halten wird. Wir sind in Novo Nordisk investiert und halten Ausschau nach Einstiegspunkten bei Eli Lilly. Sie sind nicht sehr teuer, wenn man bedenkt, dass der Markt auf 100 Milliarden US-Dollar anwachsen soll. Wie der Kursrückgang im Dezember gezeigt hat, hängt die Kursentwicklung in erster Linie von der Stimmung der Anleger und weniger von den kurzfristigen Aussichten auf Gewinnwachstum ab.

Wie weiter mit Pharma?
Der Pharmasektor entwickelt sich normalerweise vor den US-Präsidentschaftswahlen unterdurchschnittlich und danach überdurchschnittlich. Es stimmt, dass die Arzneimittelpreise in den USA höher sind als im Rest der Welt. Der Markt befürchtet, dass die US-Behörden die internationalen Preise auf dem US-Markt durchsetzen werden. Dies würde dazu führen, dass die Arzneimittelpreise um 30 oder 40 Prozent sinken würden. Nach den letzten Meldungen beruhigt sich die Industrie. Es wurde festgestellt, dass der Druck vor allem auf die Krankenversicherungen ausgeübt wird, die die Rabatte (PBM) in den USA aushandeln. Sollte dieses Szenario eintreten, dürfte sich die Bewertung der Pharmaindustrie vor dem Hintergrund der guten Wachstumsaussichten stabilisieren oder sogar erholen.

Schweizer Pharmawerte
Roche hat sich nach den ersten Meldungen über ihr Medikament gegen Fettleibigkeit 2024 deutlich erholt und kommt aus einer Übergangsphase. Sie hat das Management gewechselt und sich neu organisiert, so dass sich die Stimmung verbessert hat. Auf einer kürzlich abgehaltenen Gesundheitskonferenz in den USA stellte Roche seine Pipeline vor, insbesondere die Entwicklungen im Bereich des zentralen Nervensystems, und versprach, dass der Stand des Produktportfolios im Jahr 2026 ein ganz anderer sein werde als heute. Für die Märkte wird Alzheimer nach der Fettleibigkeit ein nächstes Thema sein.

Novartis profitiert von der Verlängerung des Patents für Entresto im Bereich Herz-Kreislauf-Medikamente, die im Prinzip bis Juli gilt, bevor Generika auf den Markt kommen. Der Aufwärtstrend von Novartis dürfte sich bis 2025 fortsetzen. Das Unternehmen hat in letzter Zeit üblicherweise die Gewinnerwartungen übertroffen, was günstig ist.

Andere Schweizer Werte
Hier analysieren wir die Möglichkeit einer Trendfortsetzung oder eines Trendwechsels bei den wichtigsten Werten. Bisher ist bei den SMI-Mitgliedern eher eine Trendfortsetzung zu beobachten, bei den Mid Caps ein höherer Anteil an Umkehrungen, insbesondere bei einigen Verlierern von 2024 wie Temenos, Tecan, AMS, Straumann, Interroll, SIG, LEM und Inficon. Die Gewinner von 2024 setzen ihre Kurse mehrheitlich fort. Natürlich werden die Veröffentlichungen der Ergebnisse dies beeinflussen.

Nestlé neuer Favorit?
Innerhalb des SMI zeigt sich, dass Nestlé mit einem Minus von 23 Prozent das schlechteste Jahr seit 1974 hatte. Nach einem Höchststand von fast 130 Franken im 2022 fiel die Aktie auf 73 Franken. Nestlé gehört in das Kästchen der Unternehmen mit einem erheblichen Umkehrpotenzial. Die Aktie befindet sich auf dem Tiefststand der Covid-Krise. Sie hat vier Jahre ausgelöscht. Ihr Gewinn belief sich 2019 auf 12,6 Mrd. CHF und fiel bis 2024 auf geschätzte 11 Mrd. CHF. Nestlé wird weiterhin für seine Dividende-Rendite von 4,1% geschätzt, die einen Aufschlag von 3,6% gegenüber 10-jährigen Bundesanleihen bietet. Dies ist ein Höchststand der letzten Jahre und eine Unterstützung für den Kurs. Bei ihrem Investorentag mit dem neuen CEO wurde deutlich, dass die Leiter der Divisionen sehr enthusiastisch wirkten. Sie schienen sich auf mehr Autonomie und einen stärker zukunftsorientierten Ansatz zu freuen und auf einen neuen Schritt zurück zum «Nestlé-Modell» des Wachstums. 2025 wird ein Übergangsjahr sein, dessen Greifbarkeit sich in den im Sommer vorgelegten Zwischenergebnissen abzeichnen dürfte. Logischerweise muss man es kaufen, wenn es niemand haben will. In Bezug auf das Risikopotenzial ist es eine attraktive Aktie.

Weitere Ideen für Turnaround
Sika gehört auch zu den Verlierern von 2024, das den jüngsten Ergebnissen zufolge eine Verlangsamung des Umsatzes mit sich brachte. Der Konzern ist in den US-Markt in einem der dynamischsten Märkte gut aufgestellt. Er ist auch ein Kandidat für eine gute Erholung im 2025, auch wenn die Aktie nicht billig ist. Kühne & Nagel ist ebenfalls ein Kandidat für einen Turnaround, aber das Schicksal hängt stark von künftigen Zöllen und Handelshemmnissen ab. Weitere Ideen sind Tecan und Straumann im Gesundheitssektor und Swatch an der Schnittstelle zwischen Luxus und Konsum in China. Dann auch Daetwyler, EMS Chemie, Georg Fischer, Komax und LEM in der Automobilindustrie sowie Emmi, die parallel mit Nestlé an Wert verloren.

Neue Entdeckungen
In der Schweiz hat sich Galderma sehr gut entwickelt. Die Anleger haben diesen wachstumsstarken Titel aus dem Kosmetik- und Schönheitssektor gelobt. Ich bin zurückhaltender, was das Aufwertungspotenzial der Aktie ausgehend vom aktuellen Multiple-Niveau betrifft. Bei den Wiederentdeckungen dürfte Lonza 2025 ihren Aufwärtstrend fortsetzen. Siegfried, ein Zulieferer für die Pharmaindustrie, dürfte nach einer schönen Aufwärtsbewegung seinen Anstieg verlangsamen. Bachem dürfte seine neuen Kapazitäten in Betrieb nehmen, so dass das Unternehmen an der Börse weiter steigen wird. Im Versicherungssektor scheint Swiss Re 2024 nach mageren Jahren wiederentdeckt zu werden. Die Rekapitalisierung des US-Geschäfts kam ihr gut zugute.

Nach einer langen Unterperformance der Small und Mid Caps stellt sich die Frage, ob sie sich erholen werden. Der SMI wird mit dem 16-fachen der Gewinne bezahlt, die Mid Caps eher mit dem 20- bis 21-fachen. Die Wachstumsaussichten liegen bei neun Prozent für den SMI und zehn Prozent für Mid Caps. Die Wachstumsprämie ist nicht signifikant, aber diese Prognosen könnten sich schnell ändern. Es ist ratsam, Markt- oder Technologieführer zu finden.

Aktien von Banken
Sie wiesen 2024 in Europa und der Schweiz ein gutes Wachstum auf. In der Schweiz ist die Heterogenität des Sektors recht gross. Die Dividendenrenditen von Vontobel, EFG, Cembra und BCV sind höher als die von UBS, wobei die Profile recht unterschiedlich sind. Die Grossbank wird durch die Risiken der künftigen Regulierung wie Eigenkapital und Ausschüttung an die Aktionäre ein wenig gebremst. UBS wiederholte auch, dass die einfachsten Synergiegewinne erzielt worden seien. Die Integration nähert sich ihrem Ende, aber die UBS bleibt weltweit führend in der Vermögensverwaltung. Das ist in den Augen der Anleger ein grosser Pluspunkt. In der Aktie sind viele gute Nachrichten enthalten, auch wenn mehrere Analysten hoffen, dass ihre Bewertung (derzeit das 1,1-fache des Buchwerts) auf das Niveau der grossen US-Banken konvergiert, d. h. das Doppelte des Buchwerts. Diese Hoffnung ist vielleicht übertrieben, da dieser Abstand schon sehr lange besteht. (Reyl/mc/pg)

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