Schweizer Anleihen: teils deutlich unter ihrem fairen Wert

Schweizer Anleihen: teils deutlich unter ihrem fairen Wert
von Markus Thöny, Head of Swiss Fixed Income of Lombard Odier Investment Managers. (Foto: zvg)

Die Politik hat auf die durch das Covid-19-Virus ausgelöste Wirtschaftskrise mit beispielloser Entschlossenheit reagiert. Die Ankündigungen von Regierungen und Zentralbanken bewirkten eine Stabilisierung der Finanzmärkte sowie eine deutliche Verbesserung der Marktliquidität. Von dieser Entwicklung profitierten vor allem auch die stark gebeutelten Kreditmärkte. Dennoch bleibt das Marktumfeld herausfordernd und die zukünftige Entwicklung ist nach wie vor mit viel Unsicherheit verbunden.

Der Schweizer-Franken-Kapitalmarkt hat sich in der vergangenen Woche leicht erholt. Während die Zinssätze insgesamt seitwärts tendierten, haben sich die Kreditrisikoprämien von ihren Höchstständen entfernt und sich im Laufe der Woche leicht eingeengt.

Das Wiederaufleben des Primärmarktes und die allmähliche Rückkehr der Käufer auf dem Sekundärmarkt trugen dazu bei, dass die Geld-Brief-Spannen im Laufe der Woche kleiner wurden. Die Geld-Brief-Spannen sind jedoch immer noch signifikant grösser als in einem normalen Markumfeld und die angespannte Situation dürfte sich erst dann beruhigen, wenn das Ende der Covid-19-Krise absehbarer wird und/oder die Banken mehr Risiko eingehen dürfen/können.

Aktuell gibt es immer noch viele Anleihen, deren Geldkurse signifikant von ihren fundamental gerechtfertigten Werten abweichen. Gänzlich unterschiedliche Kreditrisikoprämien innerhalb desselben Emittenten sind ein klares Zeichen dafür, dass die fehlende Liquidität zu erheblichen Preisverzerrungen führen kann.

Unsere Berechnungen haben gezeigt, dass die Ausweitung der Geld-Brief-Spannen abhängig vom jeweiligen Produkt für mehr als 1% der relativen und über 3% der absoluten Performance verantwortlich sein kann.

Ausreisser nach unten: Im März 2020 wiesen sowohl der SBI AAA-BBB-Index als auch der SBI A-BBB-Index mit -5,1% bzw. -6,1% die schlechtesten Monatsergebnisse seit Bestehen der SBI Index-Palette im Januar 2007 auf.

Quelle: Bloomberg, mit Berechnungen von LOIM. Stand 01.04.2020

Liquidität als kritische Kenngrösse
Unsere disziplinierte Fundamentalanalyse der Anleihenmärkte fokussiert auf die Beurteilung der Auswirkungen von Covid-19 auf die verschiedenen Sektoren sowie auf die Fähigkeit der einzelnen Firmen, diese schwierige Zeit zu überstehen. Die Unternehmen müssen dabei insbesondere über genügend Barmittel und Kreditlinien verfügen, damit die anstehenden Verpflichtungen bedient und Zahlungsausfälle vermieden werden können.

Die durch Covid-19 verursachten Marktverwerfungen dürften sich sehr unterschiedlich auf die jeweiligen Sektoren auswirken. Am stärksten betroffen dürften sehr verbrauchernahe Branchen wie der Tourismus, der Flugverkehr oder der Detailhandel (ex Lebensmittel) sein. Die Zulieferfirmen dieser stark betroffenen Branchen werden mit zunehmender Länge der Krise ebenfalls stärker betroffen sein. Gering beeinträchtigt sind Sektoren, die lebenswichtige Waren und Dienstleistungen produzieren. Dazu gehören zum Beispiel die Versorgungsunternehmen, das Gesundheitswesen, die Bauzulieferer und der Detailhandel Lebensmittel.

In diesem herausfordernden Marktumfeld sollten Anleger auf die Bilanzqualität der Unternehmen und insbesondere auf die verfügbare Liquidität achten. Unsere dezidierten Liquiditäts-Tools nutzten sowohl Bloomberg- als auch CAPIQ-Daten, um unter anderem die Anzahl der Monate zu schätzen, die ein Unternehmen ohne Erträge oder schadensbegrenzende Massnahmen weiterarbeiten kann.

Weil es derzeit unmöglich ist, Ertrags- und Cashflow-Kennzahlen mit hinreichender Zuverlässigkeit zu prognostizieren, berücksichtigen wir weitere Bilanzkennzahlen wie z.B. Loan-to-Value oder andere Schulden-/Aktiva-Kennzahlen. Um die Fähigkeit eines Unternehmens zu beurteilen, seine Kostenbasis schnell zu senken, achten wir neben dem Anteil der variablen Kosten auch auf das Verhältnis der Arbeits- zu den Gesamtkosten sowie seine Fähigkeit, Mitarbeiter zu entlassen oder staatliche Mittel zur Deckung der Lohnkosten zu erhalten. Sofern erforderlich, nehmen unsere Analysten direkt mit dem Unternehmen Kontakt auf, um die Liquidität und dessen Massnahmen zur Bewältigung der Krise zu erörtern. (LOIM/mc)

Schreibe einen Kommentar