Zürich – Die Schweizer Banken sehen sich durch die anhaltenden Negativzinsen auch im internationalen Wettbewerb benachteiligt. Zudem bewirkten Negativzinsen massive strukturelle Schäden an der Schweizer Volkswirtschaft, warnt die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg). Für den Verband steht auch die Option einer Rückerstattung der Negativzinszahlungen im Raum.
Wenn langfristig keine Abkehr vom Negativzinsumfeld gelinge, sehe man bei der Bankiervereinigung «grosse Risiken», warnte SBVg-Präsident Herbert Scheidt am Donnerstag an der Jahresmedienkonferenz des Branchenverbands in Zürich. Mehr als zehn Jahre nach der Finanzkrise scheine eine Normalisierung des Zinsniveaus «in weite Ferne» gerückt.
Rentabilität leidet
Schweizer Banken zahlten der Schweizerischen Nationalbank (SNB) jährlich mehr als 2 Milliarden Franken an Negativzinsen, sagte Scheidt. Dies entspreche rund 5 Prozent der Bruttozinserträge der Banken und sei damit ein massiver Eingriff in ihre Rentabilität.
Dagegen profitierten etwa US-amerikanische Banken durch die dortigen positiven Zinssätze auf Staatsanleihen von «risikofreiem Zinsertrag», während Banken in der Eurozone über Refinanzierungs-Programme massiv subventioniert würden.
Die Negativzinsen führten hierzulande zu finanziellen Blasen – etwa auf dem Immobilienmarkt – und schädigten langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft, so Scheidt. Nicht zuletzt träfen sie die Bürgerinnen und Bürger über die Altersvorsorge, seien doch die erste, die zweite und die dritte Säule besonders betroffen.
Mögliche Rückerstattung
Inwiefern Negativzinsen von den Banken an die Kunden und dereinst möglicherweise auch an «Kleinsparer» weiter gegeben werden, bleibt für die Bankiervereinigung grundsätzlich Sache der einzelnen Institute. Dennoch mache sich der Verband durchaus Gedanken darüber, wie SBVg-Geschäftsführer Jörg Gasser sagte. Eine Branchenempfehlung in dieser Sache dürfte allerdings auch wettbewerbsrechtlich heikel sein.
In Überlegung sind beim Branchenverband auch mögliche Mechanismen für eine Rückerstattung der an die SNB geleisteten Negativzinszahlungen – sei das an die Kunden oder an das Institut, wie Gasser bestätigte. Neben einer direkten Rückerstattung gäbe es hier etwa auch die Möglichkeit von steuerlichen Vorteilen: «Wir sind mit unseren Überlegungen hier erst am Anfang.»
Gegen weitere Zinssenkung
Je länger das Negativzinsregime andauere, desto grösser werde der Schaden für die Schweiz, mahnte Scheidt. «Wir bei der Bankiervereinigung stellen deshalb die Frage in den Raum, wann der Schaden so gross ist, dass bei den Negativzinsen Gegensteuer gegeben werden muss.»
Angesichts des drohenden weiteren Abwärtsdrucks bei den Zinsen machte Scheidt seine Präferenzen klar: Eine weitere Öffnung der Geldschleusen durch die Europäische Zentralbank (EKB) sollten die Schweizer Währungshüter nicht mit einer Senkung der Leitzinsen noch tiefer in den Negativbereich reagieren. Interventionen am Devisenmarkt, um eine weitere Franken-Aufwertung zu verhindern, dürften weniger starke Auswirkungen haben.
Nachhaltiges Investieren
Eines der weiteren wichtigen Themen für den seit Mai 2019 amtierenden CEO Gasser ist das «Nachhaltige Investieren». Die Vision der Bankiervereinigung sei es, dass die Schweiz ein «international führender Hub für Sustainable Finance» werden könne, sagte er. Dafür brauche es allerdings auch attraktive Rahmenbedingungen: So gäben heute etwa die Anlagerichtlinien der beruflichen Vorsorge Fehlanreize mit Limiten für nachhaltige Anlagen.
Einen Nachteil habe der schweizerische Finanzplatz zudem wegen den steuerlichen Hürden, mahnte Gasser: Auch «im Kontext der Nachhaltigkeitsdebatte» fordere er eine Reform der Verrechnungssteuer und die schrittweise Abschaffung der Stempelabgaben. Eine Lösung dieser Bremsen wäre ein «riesiger Hebel» für mehr Wachstum auch bei nachhaltigen Finanzanlagen. (awp/mc/pg)