Schweizer Banken und Versicherungen setzen vermehrt auf KI
Luzern – Schweizer Finanzunternehmen setzen vermehrt auf Künstliche Intelligenz (KI) in verschiedenen Bereichen – insbesondere im Kundenkontakt. Auch generative KI ist trotz Datenschutzbedenken auf dem Vormarsch. Dies zeigt eine Studie der Hochschule Luzern in Zusammenarbeit mit Adnovum und Spitch.
Spätestens seit Anfang dieses Jahres konnten sich Begriffe wie KI oder ChatGPT auch im Sprachgebrauch der breiten Öffentlichkeit verankern. Für Schweizer Finanzunternehmen sind diese Begriffe aber nicht neu. Sie verfolgen die Entwicklungen dieser Technologien schon länger und diskutieren über deren Einsatz. Bei einer Umsetzung hingegen zögern viele noch. Die Hochschule Luzern (HSLU) hat gemeinsam mit Adnovum und Spitch in einer Studie untersucht, wie Schweizer Finanzunternehmen Chatbots, Voicebots und sogenannte «generative KI», welche selbst Inhalte kreiert, nutzen. Die Studie zeigt darüber hinaus, wo die grössten Hindernisse und Herausforderungen liegen.
Unternehmen setzen auf Chatbots und Voicebots für optimale Kundeninteraktion
Der Einsatz von Conversational AI, einem auf künstlicher Intelligenz basierenden Dialogsystem, hat sich in der Unternehmenswelt in Form von Chat- und Voicebots verbreitet. Die Hälfte der befragten Finanzunternehmen setzt diese Technologie bereits ein, 46 Prozent davon im Kundenservice, gefolgt vom Marketing (14 Prozent) und dem internen IT-Helpdesk (11 Prozent). Chatbots sind nach wie vor fest etabliert und werden von über 60 Prozent der Unternehmen erfolgreich eingesetzt. Voicebots gewinnen auch an Popularität und sind bei 14 Prozent der Unternehmen im Einsatz.
Besonders bemerkenswert ist jedoch, dass fast ein Viertel der befragten Unternehmen (24 Prozent), sowohl Chatbots als auch Voicebots in ihre Kundeninteraktion integriert haben. «Finanzunternehmen verfolgen mit solchen Technologien grundsätzlich drei Ziele: bessere Kundenzufriedenheit, Kostensenkung und Effizienzsteigerung», sagt Studienautorin Sophie Hundertmark.
Allerdings zeigt die Studie auch, dass die meisten eingesetzten Bots derzeit regelbasiert arbeiten, d.h. nur Antworten auf vordefinierte Fragen geben. Diese Bots sind nicht in der Lage, die Unterhaltung automatisch an einen menschlichen Mitarbeitenden weiterzuleiten, wenn eine Frage nicht beantwortet werden kann. Die Kundschaft ist dann gezwungen, den Kontakt eigenständig über einen anderen Kanal zu suchen. Im Gegensatz dazu sind intelligente KI-basierte Bots flexibler und können Gespräche nahtlos an menschliche Mitarbeitende weiterleiten, was den Kundenservice erheblich verbessert.
Beantwortet KI künftig meine E-Mail-Anfrage?
Mehr mediale Aufmerksamkeit erhält seit diesem Jahr generative KI wie ChatGPT. Auch in vielen Büros findet die Technologie auf individueller Basis schon oft Anwendung. Kommerzielle Lösungen, die über das manuelle Prompten und Generieren von Inhalten hinausgehen, gibt es aber bisher nur wenige. «Die Technologie ist noch jung», so Hundertmark. Trotzdem haben Finanzunternehmen klare Vorstellungen für die Zukunft: Fast alle Unternehmen sehen die automatische Beantwortung von E-Mail-Anfragen von Kundinnen und Kunden (81 Prozent) oder den Einsatz in Chatbots (71 Prozent) als möglichen Anwendungsbereich von generativer KI (Abbildung). Auch Blogbeiträge oder Social-Media-Posts könnten zukünftig von generativer KI verfasst werden. Die Finanzunternehmen erhoffen sich wie auch bei den Chat- und Voicebots dadurch primär Produktivitätssteigerungen und Kosteneinsparungen. Gemäss Hundertmark dürften diese Ziele durch den Einsatz generativer KI deutlich einfacher zu erreichen sein.
Sorgen macht der Datenschutz
Ethische Bedenken spielen für die Finanzunternehmen eine untergeordnete Rolle. Vielmehr sind es Datenschutzbedenken, die eine bremsende Wirkung haben. Für 72 Prozent der befragten Unternehmen ist dies der grösste Hinderungsgrund, generative KI einzusetzen. Bei Banken sei dies im Vergleich zu Versicherungen noch stärker ausgeprägt. Es überrascht deshalb auch nicht, dass Banken beim Einsatz von generativer KI zurückhaltender sind als Versicherungen. Ein Grund dafür sind gemäss Co-Studienautor Florian Schreiber die unterschiedlichen Anliegen der Kundschaft: «Während man bei einer Versicherung eher einen Schaden meldet, erkundigt man sich bei der Bank auch nach dem Kontostand. Letzteres ist datenschutztechnisch heikler.» Erst im April hat mit Helvetia das erste Mal ein grosser Versicherer in der Schweiz den Einsatz von ChatGPT im Kundendienst verkündet. Das Projekt wird von der HSLU wissenschaftlich begleitet.
Co-Studienautor Prof. Dr. Nils Hafner ist sich sicher, dass Helvetia nicht das einzige Schweizer Finanzunternehmen bleiben wird, welches auf generative KI setzt. «Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, werden Banken und Versicherungen zukünftig im Kundenservice, im Marketing oder Verkauf auf generative KI zurückgreifen, um Kosten zu sparen und Mitarbeitende zu entlasten», so Hafner. (HSLU/mc/pg)