St.Gallen – Mit 52,2 Prozent sieht über die Hälfte der Schweizer Bevölkerung einen hohen Reformbedarf in der AHV sieht. In der 2. Säule, der beruflichen Vorsorge, sehen 51,6 Prozent der Bevölkerung einen mittleren Reformbedarf. Nur geringer Reformbedarf wird der privaten Vorsorge, der 3. Säule, attestiert. Dies zeigt das Raiffeisen Vorsorgebarometer 2022.
Mit 59,2 Prozent spricht sich ein Grossteil der Bevölkerung dafür aus, dass parallel zur AHV auch die 2. oder die 3. Säule gestärkt werden. So sprachen sich beispielsweise 46,1 Prozent der Befragten dafür aus, dass auch Geringverdienende in der Pensionskasse versichert sind. Zudem befürworteten 23,7 Prozent der Befragten eine Entpolitisierung des Umwandlungssatzes von Pensionskassen. Wenig Zuspruch mit 3,9 Prozent erfährt hingegen die Variante, wonach die berufliche Vorsorge ganz aufgelöst werden soll zugunsten eines starken Ausbaus der 1. Säule.
SNB soll mit ihren Gewinnen die AHV finanzieren
In der AHV werden verschiedene Reformmöglichkeiten diskutiert, um das Leistungsniveau zu verbessern. Für die Schweizer Bevölkerung am brennendsten scheinen dabei die plafonierten AHV-Renten zu sein: 58,7 Prozent der Befragten wollen die Heiratsstrafe in der AHV abschaffen und Ehepaare in der AHV den Konkubinatspaaren gleichstellen. An zweiter Stelle steht mit 30,3 Prozent die Möglichkeit, bei Lücken unbegrenzt Nachzahlungen in die AHV leisten zu können. Um die Finanzierung der AHV auch künftig sicherzustellen, möchten 57,2 Prozent der Befragten die Gewinne der Schweizerischen Nationalbank in die AHV einfliessen lassen. Diese Option ist bei Menschen zwischen 51 und 65 Jahren signifikant beliebter als bei jungen Menschen. An zweiter Stelle mit einer Zustimmung von 32,7 Prozent folgt eine frühere Beitragspflicht für alle, und zwar ab 18 statt ab 21 Jahren. Höhere Beiträge vonseiten Arbeitnehmer und Arbeitgeber erhalten mit 15,7 Prozent hingegen den tiefsten Zuspruch.
Auf die Frage nach den Gründen für die Ablehnung der vergangenen Altersvorsorgereformen zeigte sich ein gemischtes Bild. Nach Ansicht der Befragten wurden kleinere Löhne und Teilzeitpensen zu wenig berücksichtigt (25,1%), sind Frauen bei den Reformvorschlägen zu schlecht weggekommen (21,5%) und für 22,3 Prozent der Befragten waren die Abstimmungsvorlagen nicht verständlich und zu kompliziert. Interessanterweise sind Männer signifikant häufiger der Ansicht, dass die Vorlagen unklar formuliert waren, obwohl sie gemäss Umfrage über ein grösseres Vorsorgewissen verfügen.
Rentenalter: Männer und Frauen haben andere Präferenzen
In Bezug auf das Rentenalter zeigen die Daten der repräsentativen Bevölkerungsbefragung, dass eine starke Mehrheit (76,5%) eine Neuregelung des Rentenalters wünscht. An erster Stelle liegt mit 35,8 Prozent das Rentenalter von 65 Jahren für Mann und Frau. Dabei unterscheiden sich die Antworten der befragten Männer und Frauen signifikant: 41,5 Prozent der Männer befürworten die Anpassung auf das Rentenalter von 65 Jahren für Mann und Frau, während nur 30,0 Prozent der Frauen dem Vorschlag zustimmen. Nur 13,4 Prozent der Männer wollen den Status Quo mit Rentenalter 65 für Männer und Rentenalter 64 für Frauen behalten, während sich 28,6 Prozent der Frauen für die jetzige Regelung aussprechen. Mit 29,1 Prozent populär ist die Variante des flexiblen Rentenalters, dabei lassen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Männern und Frauen feststellen.
Schweizer Bevölkerung schützt ihre Vorsorgegelder nicht ausreichend vor der Inflation
Die gestiegene Inflation und die Entwicklungen an den weltweiten Finanzmärkten im ersten Halbjahr 2022 belasten das Vorsorgesystem. Entsprechend macht sich mit 27,0 Prozent ein signifikant höherer Teil der Bevölkerung als letztes Jahr (22,8%) Sorgen, dass wegen sinkender Rentabilität der Vorsorgegelder die Leistungen in der persönlichen Altersvorsorge gekürzt werden müssen. Bei der Frage nach der Absicherung von Vorsorgegeldern gegen die Inflation sind allerdings rund 40 Prozent der Bevölkerung überfordert. Das heisst, sie ergreifen entweder keine der aufgeführten Massnahmen oder sie wissen nicht, was sie tun sollen. 36,4 Prozent der Befragten belässt die Vorsorgegelder auf dem Konto liegen. Mit einem Wertschriftenkauf wollen sich gerade mal 16,3 Prozent absichern, mit dem Erwerb von Wohneigentum 14,3 Prozent und mit dem Kauf von Gold 5,2 Prozent. Besonders Gutverdienende und Personen mit höherer Bildung sowie Männer sehen den Wertschriftenkauf als Schutz vor der Teuerung. Allgemein hat das Wertschriftensparen mit 40,2 Prozent der Befragten einen neuen Höchststand erreicht. Besonders Menschen mit gutem Vorsorgewissen oder höherem Einkommen bevorzugen das Wertschriftensparen in der Vorsorge. Dabei werden traditionelle Wertschriften gegenüber Kryptofonds deutlich bevorzugt: 75,8 Prozent der Bevölkerung wollen keine Kryptowährungen in ihren Vorsorgelösungen.
Über das Vorsorgebarometer
Das Vorsorgebarometer basiert auf einer vom 13. bis 24. Juni 2022 durch das Link-Institut durchgeführten Bevölkerungsbefragung von 1‘006 Personen im Alter von 18 bis 65 Jahren und auf der Analyse ökonomischer Daten. Zum ersten Mal wurden zusätzlich Personen im Alter von 65+ befragt. Diese Daten fliessen jedoch nicht in das Barometer ein, sondern dienen als Ergänzung. Die Studie ist repräsentativ für die internetnutzende Bevölkerung in allen Landesteilen der Schweiz und zeigt, wie es um die finanzielle Altersvorsorge in der Schweiz bestellt ist. Das Vorsorgebarometer wurde erstmals 2018 publiziert und wird jährlich erhoben, um fortlaufend neue Erkenntnisse zum Thema Vorsorge gewinnen zu können. Während Raiffeisen bei der Erstellung des Vorsorgebarometers die Unternehmer- und Konsumentenperspektive miteinbringt, deckt die ZHAW School of Management and Law den wissenschaftlichen Teil ab.