Zürich – Die Schweizer Börsenbetreiberin SIX hat von der EU immer noch keine Verlängerung der Börsenäquivalenz erhalten. Diese läuft Ende der Woche aus. In den vergangenen Monaten wurde deshalb zu allen Kunden ein direkter Kontakt aufgebaut.
Der Entscheid der EU-Kommission, der Schweiz den Status eines «äquivalenten Drittstaates» zu verlängern, stehe weiterhin aus, teilte die SIX am Montag mit. Falls die Äquivalenzanerkennung definitiv nicht verlängert wird, stelle jedoch die Massnahme des Bundesrats sicher, dass EU-Marktteilnehmer weiter Zugang zum Schweizer Binnenmarkt haben und dort Schweizer Aktien handeln können.
Diese Massnahme sieht eine Anerkennungspflicht für ausländische Handelsplätze vor, die automatisch erteilt wird, jedoch nicht für die Handelsplätze in der EU. Wird die Schweizer Börsenregulierung von der EU nicht als gleichwertig anerkannt, dürfen diese Handelsplätze mit Wirkung ab 1. Juli 2019 keinen Handel mit Schweizer Aktien mehr anbieten.
Handel wird aufrechterhalten
Wenn wiederum Schweizer Aktien nicht «systematisch und regelmässig» an EU-Handelsplätzen gehandelt werden, benötigt die Schweizer Börse gemäss EU-Recht keine Gleichwertigkeitsanerkennung. Die EU-Händler könnten weiterhin an der Schweizer Börse Handel treiben.
Die Schweizer Börse habe sich darauf vorbereitet, dass die aktuell bis Ende Juni befristete Äquivalenz nicht verlängert werden könnte, indem sie in den vergangenen sieben Monaten direkte Verbindungen zu allen Kunden aufgebaut habe. So werde sichergestellt, dass der Handel reibungslos weitergehen könne. Darüber hinaus wurde ein Prozess implementiert, um neuen Marktteilnehmern einen Schnellzugang zu ermöglichen.
Zuvor hatte sich bereits das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) zur Thematik geäussert: Man sei bereit, falls die Europäische Kommission die Äquivalenz nicht verlängern sollte, hiess es ebenfalls in einer Mitteilung vom Montag. Die geplanten Massnahmen zum Schutz der hiesigen Börseninfrastruktur würden in einem solchen Fall ab 1. Juli gemäss Verordnung aktiviert.
Bereits vergangene Woche hatten Gerüchte die Runde gemacht, dass es die EU im Streit um das Rahmenabkommen mit der Schweiz zum Auslaufen der Börsenäquivalenz kommen lassen könnte. Hintergrund der Auseinandersetzung sind die seit 2014 dauernden Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU über ein institutionelles Rahmenabkommen.
«Faustpfand» für Rahmenabkommen
Die Verhandlungen stockten immer wieder. In diesem Verhandlungspoker hat Brüssel in der Schweizer Börse ein «Faustpfand» entdeckt und immer wieder damit gedroht, ihre Gleichwertigkeit nicht mehr anzuerkennen.
Im Dezember 2017 hatte die EU die Äquivalenzanerkennung für die Schweizer Börse erstmals nur befristet gewährt und deren Verlängerung an Fortschritte bei den Verhandlungen zum Rahmenabkommen geknüpft. Ende 2018 war diese erneut verlängert worden, allerdings lediglich um sechs Monate.
Die SIX betonte in ihrem Communiqué vom Montag, dass der Schweizerische Rechtsrahmen in der Vergangenheit bereits mehrfach durch die technischen Behörden der EU als «äquivalent» beurteilt wurde. Die Börsenbetreiberin wies somit indirekt erneut auf den politischen Charakter der Massnahme hin.
Spannungen in der Beziehung zwischen der Schweiz und der EU
Analysten machen sich bereits seit einiger Zeit Sorgen um die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU. Nachdem die Verhandlungen über das Rahmenabkommen zuletzt ins Stocken geraten seien, sei nicht auszuschliessen, dass es am Ende zu einer Spirale aus Gegen- und Gegen-Gegen-Massnahmen komme, beschrieb der Experte Ulrich Leuchtmann von der Commerzbank in einem Kommentar den schlimmsten Fall.
Das Research der Credit Suisse wiederum hatte bereits vergangene Woche mehr oder weniger Entwarnung gegeben mit Blick auf die Börsenäquivalenz. Der Disput werde mit hoher Wahrscheinlichkeit nur geringfügige Auswirkungen auf die relative Performance des Schweizer Aktienmarktes haben, so die Experten. (awp/mc/pg)