Schweizer Retail Banken: Potenzial bei der Differenzierung

Kantonalbank

IFZ-Studie zeigt auch volkswirtschaftliche Bedeutung der Kantonalbanken für die Kantone auf.

Luzern – Das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern – Wirtschaft hat zum zweiten Mal eine umfassende Studie zum Schweizer Retail Banken-Markt veröffentlicht. Die Experten zeigen auf, dass sich die Retail Banken im vergangenen Jahr gut entwickelt haben. Sie empfehlen den Institutionen jedoch, ihre Profile zu schärfen. Die Studie macht zudem deutlich, dass der finanzielle Nutzen und die volkswirtschaftliche Bedeutung der Kantonalbanken für die meisten Kantone beachtlich sind.

In der Schweiz kommt dem Retail Banking nach wie vor eine grosse Bedeutung im Bankgeschäft zu. Über ein Drittel aller im Schweizer Bankensektor generierten Erträge stammt aus dem Retail Banking. Das Geschäftsfeld Retail Banking hat das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern – Wirtschaft nun in einer Studie detailliert untersucht. Die «IFZ Retail Banking-Studie Schweiz 2013» konzentriert sich auf vier Schwerpunkte: Der erste Teil befasst sich mit den Differenzierungsmerkmalen der 88 untersuchten Institutionen, der zweite Teil beinhaltet eine Kennzahlen-Analyse, der dritte diskutiert die Kantonalbanken als Investment der Kantone und der vierte durchleuchtet die Grundsätze der Unternehmensführung.

Solide bis gute Geschäftsergebnisse
Die Studie hält fest, dass sich die Schweizer Retail Banken auch im vergangenen Jahr trotz zahlreicher Herausforderungen gut geschlagen und insgesamt solide bis gute Geschäftsabschlüsse vorgelegt haben: Die Profitabilität und Effizienz konnte trotz eines schwierigen Umfelds und sinkenden Zinsmargen gehalten werden. Die gefährdeten Forderungen haben sich im Verhältnis zu den Kundenausleihungen weiter reduziert, derweil das Total der Kundenausleihungen auch im vergangenen Jahr um beachtliche 4.8 Prozent gewachsen ist.

Umfeld wandelt sich rasch
Technologische Innovationen wie das Mobile Banking oder das Angebot von Online Hypotheken, die zunehmende Regulierung, eine abnehmende Kundentreue, branchenfremde Konkurrenten und der durch die tiefen Zinsen hohe Margendruck führen aber dazu, dass sich das Umfeld schnell wandelt. «Es besteht die Gefahr, dass sich Banken zu stark auf das Erfüllen von Regulatorien und Kostensenkungsmassnahmen fokussieren und dabei innovative Geschäftsmodelle und Wachstumschancen oder neue diversifizierende Geschäftsfelder nicht oder erst spät wahrnehmen», sagt Projektleiter Andreas Dietrich.

Fokus auf wenige Unterscheidungsfaktoren richten
In Anbetracht dieser Herausforderungen und vor dem Hintergrund der gerade im Retail Banking sehr ähnlichen angebotenen Produkte und Dienstleistungen, hat das Forschungsteam von 150 Geschäftsleitungsmitgliedern wissen wollen, worin sich ihre Institution von den anderen unterscheidet. Aufgezählt wurden im Durchschnitt 14 Merkmale, am häufigsten das Image, die Beratungsqualität, die Unternehmenskultur und die Bearbeitung bestehender Märkte. Die gleichen Merkmale nannten die Bankenvertreter auf die Frage, wie sich die Banken in fünf Jahren von der Konkurrenz abheben wollten. Gemäss den Befragten werden künftig aber auch die Bündelung von Produkten, innovativere Preismodelle, das Mobile Banking oder das Angebot von Online Hypotheken als Differenzierungsfaktoren für die Banken an Bedeutung gewinnen.

Schwierige Differenzierung
Die Auswertung der Daten hat zudem gezeigt, dass die Geschäftsleitungsmitglieder im Bereich der Produkte und Dienstleistungen nur wenige Möglichkeiten sehen sich abzugrenzen. So wird beispielsweise der Zugang zum Kunden als Differenzierungsfaktor höher gewichtet als die angebotenen Produkte. Ebenso gilt die Beratungsqualität als wichtigeres Unterscheidungsmerkmal als die Produkte. «Es ist jedoch fraglich, ob und inwieweit sich eine Bank durch gute Beratung von per se austauschbaren Produkten wirklich von einer anderen Bank differenzieren kann», kommentiert Andreas Dietrich die Resultate. Er empfiehlt den Institutionen zudem, sich nicht durch zu viele Merkmale unterscheiden zu wollen. «Sinnvoller ist es, sich konsequent auf maximal drei bis vier Differenzierungsfaktoren zu fokussieren und diesen dafür eine umso höhere strategische Bedeutung beizumessen.»

Graubündner Kantonalbank als Schweizer Meisterin bei den Kennzahlen
Die Studie schliesst ferner ein Ranking der besten Schweizer Retail Banken 2012 ein. Dafür wurden sechs zentrale Kennzahlen von 88 Schweizer Retail Banken analysiert: Return on Assets, Cost/Income Ratio, Leverage Ratio, gefährdete Forderungen im Verhältnis zu Kundenausleihungen, Deckungsgrad Kundenausleihung und Wachstum Kundenausleihungen. Die Graubündner Kantonalbank erzielte im Jahr 2012 insgesamt die besten Werte. Sie glänzte mit der zweithöchsten Gesamtkapitalrendite, einem tiefen Kosten/Ertrags-Verhältnis und einem hohen Eigenkapitalanteil. Die Plätze eins bis fünf besetzen ausschliesslich Kantonalbanken. Werden jedoch die Kennzahlen 2008 bis 2012 analysiert, finden sich mit der Bank EEK in Bern und der Ersparniskasse Affoltern i.E. auch zwei kleine Regionalbanken unter den Top 5.

Die Kantonalbanken als rentables Investment für die Kantone
In einem Spezialreport hat das IFZ sämtliche Finanzströme zwischen den Kantonalbanken und den Kantonen analysiert. Dabei zeigt sich, dass Ausschüttungen der Kantonalbanken sowie die Wertsteigerungen auf dem Buchwert des Eigenkapitals für die Kantone von 2002 bis 2012 zu einer durchschnittlichen jährlichen Rendite von beachtlichen 11.2 Prozent führen. Über den Zeitraum von zehn Jahren erzielte der Kanton St. Gallen mit jährlich 13.7 Prozent die höchste Rendite auf seinem Investment in die Kantonalbank. Die Ausschüttungen machen im Durchschnitt rund 3.5 Prozent der jährlichen Fiskaleinnahmen aus, bei einem Viertel der Kantone liegt der Wert sogar bei 8 bis 16 Prozent: Spitzenreiter sind die Kantone Appenzell Innerrhoden und Graubünden mit Ausschüttungen in Relation zu den Fiskaleinnahmen von 16 bzw. 13 Prozent.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die beachtlichen Renditen der Kantonalbanken mit (zu) hohen Risiken für die Kantone einhergehen. Die Studie simuliert deshalb ein Worst-Case Szenario, bei welchem 100 Prozent des gesetzlich erforderlichen Eigenkapitals abgeschrieben und die Bank anschliessend wieder rekapitalisiert wird. «In einem solchen Szenario erweist sich die hohe Eigenkapitaldecke, welche bei den meisten Kantonalbanken deutlich über den geforderten Eigenmitteln liegt, als Vorteil», sagt Christoph Lengwiler, Leiter des IFZ und Co-Autor der Studie. Im Durchschnitt müssten die Kantone für eine Rekapitalisierung der Kantonalbank einen Betrag in der Höhe von 27 Prozent der jährlichen Fiskaleinnahmen aufwenden. «Die meisten Kantonalbanken stellen damit angesichts der erwarteten Rentabilität ein vertretbares Risiko für die Kantone dar.»

Mehr Frauen im Verwaltungsrat als in der Geschäftsleitung
Für den letzten Teil der Studie zum Thema Corporate Governance analysierte das IFZ unter anderem die Zusammensetzungen der Geschäftsleitungen und der Verwaltungsräte bei 63 Schweizer Retail Banken. Dabei fällt auf, dass lediglich etwa 4 Prozent der Retail Banken-Geschäftsleitungsmitglieder Frauen sind, dies im Gegensatz zu 16 Prozent bei den Verwaltungsräten (VR). Die Mitglieder der Geschäftsleitungen sind im Durchschnitt 50.5 Jahre alt und etwa 8.4 Jahre in ihrer Funktion – und somit deutlich jünger als die Verwaltungsräte (55.6 Jahre) und länger im Amt (Verwaltungsräte: 7.4 Jahre).

Die Vergütungen im VR sind sehr unterschiedlich. Derweil die durchschnittliche Entschädigung pro VR-Mitglied bei einigen Banken im Jahr 2012 bei rund 335‘000 Franken zu liegen kommt (Banque Cantonale Vaudoise und infolge von Sonderausschüttungen bei der Berner Kantonalbank), bezahlen viele der kleineren Retail Banken ihren Verwaltungsratsmitgliedern moderate Entschädigungen in der Höhe zwischen 10’000 und 30’000 Franken. Am geringsten fällt der Personalaufwand pro VR-Mitglied bei der Appenzeller Kantonalbank und der Bezirks-Sparkasse Dielsdorf Genossenschaft aus. (IFZ/mc/pg)

Exit mobile version