Schwellenländer-Anlagen könnten 2024 die entwickelten Märkte übertreffen

Alex Smith

Alex Smith - Equity Investment Specialist, abrdn. (Foto: zvg)

Aktien und Anleihen aus Schwellenländern dürften in diesem Jahr besser abschneiden werden als die aus Industrieländern. Denn: Die Schwellenländermärkte werden durch starke Fundamentaldaten und niedrige Bewertungen gestützt. Sie dürften zudem durch die Zinssenkungen in den USA unterstützt werden.

von Alex Smith – Equity Investment Specialist, abrdn

Nachdem wir im vergangenen Jahr robuste Renditen in US-Dollar erzielt haben, halten wir es für sehr wahrscheinlich, dass Aktien und Anleihen aus Schwellenländern im Jahr 2024 besser abschneiden werden als die aus Industrieländern.

Historische Trends haben gezeigt, dass die Märkte der Schwellenländer und Asiens in der Regel besser abschneiden als die USA, wenn die Federal Reserve (Fed) die Zinsen senkt. Dies liegt daran, dass es neben der politischen Unterstützung ein höheres Wachstums- und Ertragspotenzial, attraktivere Bewertungen und ein Engagement in Währungen gibt, die im Vergleich zum US-Dollar in einem Zinssenkungszyklus einen höheren Carry (die Rendite, die durch das Halten dieser Währungen erzielt wird) aufweisen. Es gibt einige entscheidenden Faktoren, welche die aufstrebenden Volkswirtschaften gebremst haben, die nun beginnen zu schwinden.

Drei Gründe für die Outperformance:

Erwartung, dass die US-Zinsen sinken
Trotz der aussergewöhnlichen Widerstandsfähigkeit der US-Wirtschaft im vergangenen Jahr scheinen sich die Markterwartungen auf eine wahrscheinliche Verlangsamung in der Zukunft einzustellen. Da die Fiskalpolitik angesichts der massiven Staatsverschuldung des amerikanischen Staates wenig Spielraum hat, um eine Verlangsamung des Wachstums zu unterstützen, dürfte die Fed durch eine schrittweise Senkung der Zinssätze den grössten Teil der Arbeit übernehmen. Wir gehen davon aus, dass der US-Dollar in diesem Fall etwas von seiner Stärke am Markt einbüssen wird.

Dies verheisst Gutes für die Schwellenländer, von denen viele einen relativ hohen Schuldenstand in US-Dollar haben. Wenn die Zinsen hoch sind, geraten ihre Märkte unter Druck – auch wenn die Schwellenländer inzwischen über robustere Leistungsbilanzen und Reserven verfügen, die ihnen geholfen haben, ein weiteres Taper Tantrum zu vermeiden, als die Fed begann, die Zinsen anzuheben. Da die Inflation in vielen Teilen der Schwellenländer das Zielniveau erreicht hat, haben mehrere Zentralbanken bereits geldpolitische Lockerungsmassnahmen ergriffen und sind der Fed zuvorgekommen.

Bewertungen in den Schwellenländern sind auf einem sehr attraktiven Niveau
Schwellenländeraktien werden derzeit mit dem 14,4-fachen Kurs-Gewinn-Verhältnis gegenüber dem 19-fachen der entwickelten Märkte (DM) gehandelt, was darauf hindeutet, dass es Spielraum für eine erhebliche Rotation zurück zu den Schwellenländern gibt. Bei den festverzinslichen Wertpapieren bieten die Investment-Grade-Anleihen der Schwellenländer eine Spread-Prämie von fast 50 Basispunkten gegenüber ihren DM-Pendants.

Hochzinsanleihen aus Schwellenländern weisen sogar eine Spread-Prämie von über 125 Basispunkten gegenüber ähnlich bewerteten DM-Pendants auf. Dies wird auch durch die ermutigenden Wachstumsaussichten unterstützt. Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds wird für die Schwellenländer im Jahr 2024 ein durchschnittliches Wachstum von 4 % erwartet, während es in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften voraussichtlich nur 1,4 % betragen wird. Dies ist zum Teil auf die Verlagerung von Kapital in ressourcenreiche Schwellenländer zurückzuführen.

Bisher wurde weniger in den Schwellenländern investiert, in denen viele der Unternehmen ansässig sind, die Gebrauchsgüter herstellen. Dies ändert sich nun aufgrund eines Anstiegs der Investitionsausgaben infolge der Verringerung des Risikos in den Lieferketten. Wir gehen davon aus, dass die Diversifizierung der Lieferketten die Schwellenländer weiter stärken wird, indem sie die ausländischen Direktinvestitionen und das verarbeitende Gewerbe ankurbelt und gleichzeitig die Erholung der inländischen Gewinne unterstützt.

Anleger betrachten die Fundamentaldaten neu
Die Bilanzen der Unternehmen in den Schwellenländern sind aus der Pandemie gestärkt hervorgegangen, was ihre beherrschende Stellung auf ihren nationalen und regionalen (und sogar globalen) Märkten widerspiegelt. In der Vergangenheit haben die Anleger sehr gute Qualitätsunternehmen in den Schwellenländern sowohl bei Aktien als auch bei festverzinslichen Wertpapieren allein aufgrund ihres Herkunftslandes ignoriert.

Unternehmensratings in Schwellenländern werden gelegentlich durch das Länderrating gedeckelt und täuschen über die zugrunde liegende fundamentale Stärke des Emittenten hinweg. Darüber hinaus haben die Ereignisse des vergangenen Jahres dazu geführt, dass Anleger den chinesischen Hochzinssektor meiden, obwohl es dort Unternehmen mit belastbaren versorgungsähnlichen Erträgen, robusten Bilanzen und diversifizierten Finanzierungslinien gibt. Investitionen in Schwellenländer bieten Anlegern, die in stabile, qualitativ hochwertige Unternehmen zu niedrigen Bewertungen investieren möchten, zahlreiche Möglichkeiten.

Trotz aller Chancen sind Investments in Schwellenländer nie ohne potenzielle Risiken. Unserer Ansicht nach dominieren derzeit zwei Faktoren die Diskussionen – erstens China, die grösste Volkswirtschaft innerhalb der Anlageklasse, und zweitens die bevorstehenden US-Wahlen im November.

China: Private Haushalte mit hohen Ersparnissen
Die langsamer als erwartet verlaufende Wiedereröffnung Chinas im vergangenen Jahr und die anhaltende Schwäche des Immobiliensektors trugen zu einem Grossteil der negativen Anlegerstimmung in den Schwellenländern bei. Unser Ausblick für China bleibt jedoch unverändert. Wir sind der Meinung, dass sich eine Diskrepanz zwischen der durch Bewertungen und Schlagzeilen geprägten Stimmung und den tatsächlichen Gegebenheiten – insbesondere im Aktienbereich – herausgebildet hat.

Auch wenn es in China noch grössere Probleme in Bezug auf die Politik und die Wiederankurbelung des Wachstums gibt, so ist es doch ein riesiges Land mit einer der grössten Verbraucherbasen der Welt. Die Ersparnisse der privaten Haushalte befinden sich nach wie vor auf Rekordniveau, und ein Stimmungsumschwung könnte eine Welle zusätzlicher Ausgaben auslösen. Irgendwann wird der Pessimismus in Bezug auf China seinen Höhepunkt erreichen, denn das Land bleibt der billigste grosse Aktienmarkt der Welt, billig im historischen Vergleich und auf einem historischen Tiefstand im Vergleich zu den USA.

US-Präsidentschaftswahlen
Die andere Ungewissheit, mit der die Schwellenländer konfrontiert sind, ist der Ausgang der US-Wahlen, der sich auf die Handelsbeziehungen auswirken würde. Wir glauben an eine abwartende Haltung, aber auch an Investitionen in Unternehmen, die jedem Ergebnis standhalten können – d.h. Unternehmen, deren Wege zu einem nachhaltigen langfristigen Wachstum nicht durch die US-Politik behindert werden. In diesem Sinne sind die Unternehmen in den Schwellenländern in den letzten Jahren stärker geworden, und ihr Zugang zu Finanzierungen ist vielfältiger geworden, wobei viele lokale Finanziers auf den Markt gekommen sind.

Wir glauben, dass die Schwellenländer im Jahr 2024 besser abschneiden können als die entwickelten Märkte, da viele der Faktoren, die die Anlageklasse gebremst haben, einschliesslich der hohen Zinssätze, allmählich nachlassen. Der Marktkonsens geht davon aus, dass die Fed noch in diesem Jahr den Zinserhöhungszyklus beenden wird.

Von Unternehmensanleihen aus den Schwellenländern über den indischen Anleihemarkt bis hin zu Wachstums- und ausschüttungsstarken Aktien – die Chancen sind in der gesamten Anlageklasse breit gestreut. (abrdn/mc)

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