Schwerer EU-Streit über Umschuldung Griechenlands

Schwerer EU-Streit über Umschuldung Griechenlands

Jean-Claude Juncker, Vorsitzender der Euro-Finanzminister.

Brüssel – Die Rettung von Schuldensünder Griechenland vor einer Staatspleite sorgt für schweren Streit in Europa. Beim Treffen der europäischen Finanzminister in Brüssel wurde deutlich, dass der Weg einer «sanften» Umschuldung für Griechenland umstritten ist. Einigkeit besteht lediglich darin, dass Athen schon im laufenden Jahr mehr sparen und Tafelsilber verkaufen muss.

Der Druck steigt: «Griechenland muss rasch Staatseigentum von 50 Milliarden Euro privatisieren», forderte der Vorsitzende der Euro-Finanzminister, Luxemburgs Jean-Claude Juncker, am Dienstag.

«Sanfte» Umschuldung nicht mehr ausgeschlossen

Nach monatelangen Spekulationen über eine nahende Umschuldung wird nun auch erstmals offiziell über eine mögliche Umstrukturierung des gigantischen griechischen Schuldenberges gesprochen. Juncker sagte, eine «sanfte» Umschuldung werde nicht mehr ausgeschlossen. Dazu können laut Experten Laufzeitverlängerungen für Kredite oder die Ermässigung von Zinsen gehören. Die Ressortchefs wollen Mitte Juni wieder über das Schuldenfiasko beraten. «Die griechische Krise ist unvergleichbar schwieriger zu lösen als die anderen beiden», resümierte Juncker mit Blick auf Irland und Portugal. Die französische Wirtschaftsministerin Christine Lagarde ging auf Konfrontationskurs und wehrte sich gegen «jegliche Restrukturierung oder Neustaffelung» von Krediten. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) lehnt eine Umschuldung ab.

Berlin wartet Bericht der Überprüfungskommission ab
Die deutsche Bundesregierung hält sich zurück. Auf die Frage zu einer möglichen Laufzeitverlängerung für bestehende Kredite sagte Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen: «Ich kann nicht sagen, ob dies eine Option darstellt.» Erst müsse der Bericht einer Überprüfungskommission abgewartet werden, die bis etwa 25. Mai in Athen bleibe werde – eine Woche länger als ursprünglich geplant. Auch sei es zunächst an der griechischen Regierung, mehr zu sparen und mehr Staatseigentum zu verkaufen, bevor andere Schritte zur Debatte stünden. Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte darauf gepocht, dass bei einer Rettung auch der Privatsektor einbezogen werden müsse. Asmussen bestätigte Debatten über ein neues Hilfspaket – «es sind keine Entscheidungen gefällt worden». In der Debatte sind nach früheren Berichten 30 bis 60 Milliarden Euro.

Radikale Massnahmen im Gespräch
Juncker kündigte an, dass Athen bald zusätzliche Sparschritte mitteilen werde. Es seien umfassende Reformen nötig. Er wehrte sich gegen eine «harte» Umschuldung. Dieses wäre beispielsweise ein Schuldenschnitt, bei dem private und öffentliche Gläubiger einen bestimmten Teil ihrer Forderungen verlieren würden. Griechenland hat seit Mai 2010 bereits die Zusage für ein Hilfspaket von 110 Milliarden Euro. Das Land war damals das erste, das im Kampf gegen eine Staatspleite internationale Finanzhilfe in Anspruch nehmen musste. Die Milliarden werden tranchenweise ausgezahlt. Im Club der mächtigen Minister werden inzwischen radikale Massnahmen debattiert. So fordern einige Ressortchefs die Einschaltung einer unabhängigen Agentur bei den Privatisierungen. Auch soll ein Gesetz in Athen verabschiedet werden, um die private Kapitalflucht zu unterbinden.

Dramatischer Appell an Adresse Athens
Juncker und EU-Währungskommissar Olli Rehn richteten einen dramatischen Appell an Athen, den Ernst der Lage zu erkennen. «Wir brauchen eine parteienübergreifende Vereinbarung, wie in Portugal», sagte Juncker. Die Chef der stärksten griechischen Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND), der konservative Antonis Samaras, reagierte positiv zum Aufruf der EU: «Einigung mit Europa zu den Zielen für die Reduzierung des Defizites und der Schulden, dazu sagen wir Ja», sagte Samaras nach einem Treffen mit dem griechischen Staatspräsidenten Karolos Papoulias. Athen kommt nach neuesten Zahlen im laufenden Jahr auf ein Defizit von 9,5 Prozent der Wirtschaftsleistung, das im kommenden Jahr nur geringfügig sinken soll.

Hilfspaket für Portugal bestätigt
Die EU-Minister bestätigten ein Hilfspaket von 78 Milliarden Euro für Schuldensünder Portugal, das die Euro-Ressortchefs bereits am Montag vereinbart hatten. Die ersten Hilfen sollen bereits Ende Mai nach Lissabon fliessen. Portugal ist nach Griechenland und Irland (85 Milliarden Euro) das dritte Euro-Land, das am Finanztropf von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) hängt. Die Minister debattierten auch den Rettungsfonds ESM, der von 2013 an für die Rettung klammer Eurostaaten bereitstehen soll. Es ging auch um den derzeitigen Fonds EFSF, der aufgestockt werden soll. Ein Ergebnis soll – wie ursprünglich geplant – bis Ende Juni vorliegen. (awp/mc/ps)

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