St. Gallen – Am nächsten Donnerstag wird die EZB wahrscheinlich bekannt geben, ob sie das im März 2017 auslaufende Programm zum Kauf von Anleihen verlängert. Ich gehe davon aus, dass dies der Fall sein wird. Ob der aktuelle monatliche Betrag von 80 Milliarden Euro langsam gekürzt wird, ist dabei offen.
Welche Auswirkungen das viele Geld der EZB auf die Wirtschaft und die Finanzmärkte hat, ist schwierig einzuschätzen. Aussagen, dass die Zinsen in der Eurozone durch die EZB-Käufe massiv gesenkt wurden, sind zu hinterfragen. Die Renditen europäischer Anleihen sind seit dem Beginn des Programms im März 2015 bis zum August 2016 auf neue Tiefststände gesunken. Das sind die Renditen in den USA jedoch auch. Die Kreditrisikoprämien europäischer Emittenten sind deutlich kleiner geworden. Das gleiche gilt aber auch für Dollar-Anleihen.
Wo ist der EZB Stimulus?
Niemand wird behaupten, die amerikanischen Renditen seien durch die EZB beeinflusst worden. Zudem steigen die Renditen in der Eurozone seit ein paar Wochen im Einklang mit den US-Renditen wieder an. Bei den europäischen Aktien ist ebenfalls kein EZB-Stimulus zu erkennen. Im Vergleich zu ihren Pendants in den USA liegen die europäischen Aktienindizes deutlich unterhalb ihrer historischen Höchststände. Auch auf den Euro wirkt sich das EZB-Kaufprogramm nicht aus. Hat er sich im Vorfeld gegenüber dem Dollar noch von 1.35 auf 1.05 verbilligt, handelt er seit Programmbeginn zum Dollar stabil.
Die Wirtschaft in der Eurozone wächst im dritten Quartal 2016 mit einer Jahresrate von 1.6%. Das BIP-Wachstum ist seit zwei Jahren stabil zwischen 1.5% und 2.0%. Dieser Wert ist nicht berauschend, entspricht aber bei weitem nicht den negativen Kommentaren, die weitherum verbreitet werden. Das Wachstum hat sich seit der Aufnahme des EZB-Kaufprogramms nicht beschleunigt und das Problem der grossen Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern besteht weiterhin. Dies der EZB anzulasten ist aber verfehlt, da sie ihre Geldpolitik auf die Eurozone als Ganzes und nicht auf einzelne Mitgliedsländer ausrichten muss.
Wo ist die Effizienz?
Keinen Erfolg hat die EZB mit der Ankurbelung der Inflation. Die Kernrate ohne den Einfluss der schwankenden Energiepreise verharrt bei 0.8% und macht keine Anstalten, sich dem Zielwert der EZB von nahe bei 2% zu nähern. Angesichts der nach wie vor vorhandenen Kapazitätsreserven in der Eurozone und einer Arbeitslosenrate von 9.8% verwundert dies nicht. Dem EZB-Programm jegliche wirtschaftliche Wirkung abzusprechen, ist aber verfehlt. Ob das Geld effizient eingesetzt ist, ist eine andere Frage. Es ist wie bei einem Schrotgewehr. Viele Kugeln gehen daneben, ein paar Treffen aber ihr Ziel.
Irgendwann wird das Programm gestoppt oder zumindest gekürzt werden. An den Finanzmärkten wird es dann kurzfristig zu heftigen Reaktionen kommen. Der Euro steigt, die Renditen in der Eurozone auch und die Aktienmärkte kommen unter Druck. Das Ausmass und vor allem die Dauer der Ausschläge werden jedoch begrenzt sein. Die Euro-zone kann auch ohne zusätzliches EZB-Geld auskommen.
Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Herr Stucki hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Er führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 30 Mitarbeitenden. Er ist verantwortlich für die Verwaltung von Kundenmandaten und Anlagefonds im Umfang von CHF 4,4 Milliarden. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.
St. Galler Kantonalbank AG
Die St.Galler Kantonalbank wurde 1868 gegründet und ist seit 2001 an der Börse SIX Swiss Exchange kotiert. Der Kanton St. Gallen hält als Mehrheitsaktionär 54.8% des Aktienkapitals. Als Universalbank bietet sie den Kunden in ihrem Heimmarkt die gesamte Palette von Finanzdienstleistungen an. In Zürich ist sie mit einer auf Vermögensverwaltung spezialisierten Niederlassung präsent. Mit ihrer umfassenden Dienstleistungspalette betreut sie Privatkunden in der Deutschschweiz in allen Fragen der privaten Vermögensplanung und Vermögensverwaltung. Am 31. Dezember 2015 beschäftigte die St.Galler Kantonal-bank Gruppe insgesamt 1234 Mitarbeitende und verwaltete Kundenvermögen von CHF 36.2 Milliarden. Das Stammhaus besitzt Staatsgarantie und das Aa1-Rating von Moody’s.