St. Gallen – Nach der Wahl von Donald Trump sind die Zinsen bei den Obligationen mit langen Laufzeiten sprunghaft gestiegen; nicht nur in den USA, sondern auch in Europa und in der Schweiz. Seither sind die Finanzmedien voll mit Analysen und Kommentaren über gestiegene Inflationserwartungen und unweigerlich steigende Zinsen aufgrund der Aufblähung der US-Schuldenlast. Was auffällt: Die eigentlichen Steuerleute der US-Zinsen, die Fed, sind in den Kommentaren nur Randfiguren.
Die Rendite der 10-jährigen US-Treasury Note ist von 1.85% auf 2.21% gesprungen. Dies ist zwar viel, aber nur die Fortsetzung des Trends, der bereits Anfang Oktober eingesetzt hatte. Damals lag die Rendite noch bei 1.55%. Nicht vergessen sollte bei aller Zinshysterie, dass Anfang 2016 die Rendite mit 2.25% höher war als heute. Seither haben die Turbulenzen an den Finanzmärkten, der Brexit und die mit Zinserhöhungen langsa-mer als erwartet agierende Fed die Kapitalmarktrenditen auf neue Tiefstände gedrückt.
Technische Faktoren dominieren
Auffallend ist beim aktuellen Zinsanstieg, dass er sich auf die langen Laufzeiten der Zinskurve konzentriert. Bei den Geldmarktzinsen und den Obligationen mit Laufzeiten bis zwei Jahre passiert wenig bis nichts. Das zeigt, dass der Grund nicht bei einer schnelleren Änderung der Geldpolitik der Zentralbanken liegt. Der markante Zinssprung der letzten Woche hat grösstenteils mit technischen Faktoren zu tun. Offenbar sind einige Investoren, die auf stetig tiefe oder sogar fallende Zinsen gesetzt hatten, auf dem falschen Fuss erwischt worden und haben ihre Positionen aufgelöst.
Die kurzfristige Reaktion darf man nicht überbewerten. Wie sieht es aber mit der explodierenden Verschuldung und der steigenden Inflation aus? Sollte Trump seine Versprechen betreffend Steuersenkungen für Unternehmen und für exorbitante Infrastrukturausgaben effektiv umsetzen, wird das Budgetdefizit in den USA unweigerlich steigen. Die Verschuldungsquote ist mit 73% des BIP im internationalen Vergleich aber nicht übertrieben hoch und vergleichbar mit derjenigen von Deutschland. Auch wenn die Schulden steigen, wird kaum jemand ernsthaft an der Zahlungsfähigkeit des US-Treasury zweifeln.
Höhere Inflationserwartungen entscheidend
Die Inflationserwartung für die nächsten fünf Jahre ist in den letzten Tagen von 1.55% auf 1.75% emporgeschnellt. Sollte Trump die USA wirtschaftlich stärker abschotten, wird der Inflationsdruck zunehmen. Importgüter werden durch die Strafzölle teurer und der Wegfall der Verlagerung von Produktionen in billigere Länder erhöht den Lohndruck in den USA. Ob dies aber wirklich geschehen wird, steht aber heute noch in den Sternen.
Vielmehr ist die gestiegene Inflationserwartung nur die Fortsetzung eines Trends, der im September eingesetzt hat und auf höheren Stundenlöhnen und einer steigenden Kerninflation basiert. Die Entwicklung bei den Inflationserwartungen wird bei der Frage der Zinswende entscheidend sein. Inflationserwartungen haben dabei mehr mit Psychologie als mit realen Gegebenheiten zu tun. Entsprechend schwierig sind sie zu steuern. Wenn sie kippen und Inflationsängste überhand nehmen, wird der Zinsanstieg bei den langfristigen Obligationen weitergehen. Die Angst vor den Zinsrisiken wird die Anleger dazu verleiten, ihre Langläufer abzustossen und Anleihen mit kurzen Restlaufzeiten zu kaufen. In der Folge wird die Zinskurve deutlich steiler. Gleichzeitig wird die Diskussion aufflammen, ob die Fed «behind the curve» sei, was die Zinsbewegung weiter verstärkt. Dadurch kommt die Fed unter Druck, ihrerseits die Zinsen rascher zu erhöhen.
Es gibt ein realistisches Szenario dafür, dass die seit Jahren prognostiziere Zinswende nun gekommen ist. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass es wenig braucht, um wieder Wachstumsängste zu schüren. In der Folge würde Sicherheit wieder zum Thema und die Zinswende abgesagt. (SGKB/mc/ps)