St. Gallen – Europa geht es zur Jahreswende wirtschaftlich besser als politisch. Das reale BIP-Wachstum in den 27 EU-Ländern hat sich bei 2% pro Jahr eingependelt. Dies ist ein solider Wert, welcher nur nach der Einführung des Euro zur Jahrtausendwende und im Vorfeld der Finanzkrise 2008 übertroffen wurde. Die Unterschiede von Land zu Land sind jedoch gross. Mit Italien und Frankreich hinken zwei wichtige Länder mit Wachstumsraten von nur 1.0% hinterher. Auf der anderen Seite wächst das arg gebeutelte Spanien mit einem Plus von 3.2% überdurchschnittlich stark. Trotz des Wachstums hat Europa ein grosses Problem. Die bessere Wirtschaftslage äussert sich zwar in den Statistiken, ist aber für viele Bürger nicht spürbar. Trotz einem sinkenden Trend ist die Arbeitslosenrate mit 10% immer noch sehr hoch und der Spardruck der hoch verschuldeten Staaten trifft vor allem die weniger begüterten Menschen.
Kombiniert mit der ungelösten Flüchtlingsfrage und den regelmässig auftretenden Anschlägen islamistischer Extremisten ergibt dies einen Cocktail, der für die EU und die europäisch gesinnten Regierungen gefährlich ist. Kommt hinzu, dass mit Frankreich, Italien und Deutschland drei Kernländer der EU vor Wahlen mit einem unbekannten Ausgang stehen. Abschottung oder Fortsetzung des liberalen Freihandels in einem vereinten Europa stehen zur Diskussion.
Aufschwung der Populisten
Spätestens seit dem Brexit und der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten weiss man, dass mit nationalistischen Versprechen Mehrheiten zu finden sind. Gegen populistische Parolen mit vernünftigen Argumenten zu kämpfen, war schon immer schwierig. Im aktuell aufgeheizten Umfeld ist es ein Kampf gegen Windmühlen. Das heisst nicht, dass die EU-Gegner die Wahlen gewinnen werden. Das Beispiel Spaniens und der EU-kritischen Ciudadanos zeigt, dass die Leute trotz allem zögern, die Sicherheit der EU aufzugeben.
Auf der Suche nach Stabilität
Aber im Vorfeld der Wahlen wird viel Geschirr zerschlagen werden und es wird schwierig sein, stabile Mehrheiten und damit durchsetzungsstarke Regierungen zu finden. Dabei braucht Europa genau das. Regierungen, die handlungsfähig sind. Regierungen, die die Werte der EU durchsetzen und sich nicht von den Machthabern in Ungarn oder Polen den Weg diktieren lassen. Regierungen, die der Aggression Russlands die Stirn bieten. Regierungen, die die notwendigen Reformen in ihren Ländern und in der EU konsequent an die Hand nehmen. Die EU wird 2017 überleben, trotz Brexit und populistischen Parolen. Es ist aber zu befürchten, dass die Lähmung der Institutionen anhält und das Schiff Europa weiter führungslos durch die stürmischen Gewässer schlittert. (SGKB/mc/ps)