St. Gallen – Am Freitag um Mitternacht war es soweit. Die Eigeninteressen der involvierten Parteien inklusive dem Weissen Haus haben einen Budgetkompromiss verhindert. Die US-Verwaltung ist nicht mehr zahlungsfähig und muss die Einrichtungen, die nicht für die Sicherheit und die Grundversorgung des Landes notwendig sind, schliessen. Der «Government Shutdown» wurde medial als Grossereignis inszeniert, ist in den USA aber nichts Ungewöhnliches. Seit 1976 wurde die Verwaltung neunzehn Mal mangels Ausgabenbudget geschlossen, fünf Mal unter Jimmy Carter und gar acht Mal während der Präsidentschaft Reagans. Am längsten war die Verwaltung 1995/96 unter Bill Clinton zu. Ganze drei Wochen dauerte es, bis eine Einigung über die weitere Finanzierung des Staates erzielt werden konnte.
Im Gegensatz zu den Medien und den Politikern haben die Finanzmärkte die Politshow in Washington gelassen verfolgt. Der S&P 500 hat am Freitag gar einen neuen Höchststand erreicht. Der Dollar hat sich ebenfalls gut gehalten und die Zinsen der Treasuries sind auf den höchsten Stand seit einem Jahr gestiegen. Befürchtungen, dass die Fed ihre Zinsen rascher als bisher erwartet erhöhen könnte, haben die Bondanleger erschreckt. Die Zentralbank ist für die wirtschaftliche Entwicklung und für die Börsen offensichtlich wichtiger als die Politiker.
Von Notbudget zu Notbudget
Dass die Verwaltung wieder einmal geschlossen wurde, ist nicht das grosse Problem in den USA. Es ist eine Frage der Zeit, bis sie ihren Betrieb wieder aufnehmen kann. Tragisch und wirtschaftlich gravierender ist vielmehr, dass der Kongress seit zehn Jahren nicht mehr in der Lage ist, einen ordentlichen Budgetprozess zu führen. Zu Beginn des Fiskaljahres am 1. Oktober gab es schon lange keinen definitiven Ausgabenplan für das laufende Jahr mehr. Vielmehr hangelt man sich mit kurzfristigen Notbudgets von einem Monat oder maximal ein paar Monaten über die Runden bis zum nächsten Erreichen der Schuldenobergrenze. Die Folge ist, dass man praktisch im Monatsrhythmus über verschiedene Budgetposten streitet und eine längerfristige Finanz- und Investitionsplanung unmöglich wird. Dabei ist der US-Haushalt schon lange aus dem Lot geraten.
Das jährliche Budgetdefizit beträgt rund 600 Mrd. US-Dollar oder 3,4% des BIP. Das ist zwar deutlich weniger als unmittelbar nach der Finanzkrise, als das Defizit durch die Rettungsmassnahmen für die Banken und Versicherungen auf 10% des BIP emporgeschnellt war. Die Entwicklung ist dennoch besorgniserregend. Das Defizit steigt seit zwei Jahren wieder an, obwohl sich die Wirtschaft in einer Wachstumsphase befindet. Die Steuersenkungen der Republikaner werden die Lage weiter verschärfen.
Beschränkter Handlungsspielraum
Erschwerend kommt hinzu, dass zwei Drittel der Ausgaben im US-Haushalt durch die Sozialprogramme wie Medicare und Medicaid bestimmt werden. Die Ausgaben für diese Programme steigen in den nächsten Jahren stark an und können durch den Kongress nur beschränkt beeinflusst werden, ohne die Programme massiv zu beschneiden. Das schränkt zum einen die Handlungsmöglichkeiten ein, bei der nächsten Rezession mittels fiskalischer Impulse die Konjunktur zu fördern. Zum andern steigen die Schulden unaufhaltsam an.
Gleichzeitig ist die Fed daran ist, ihre Bilanz zu reduzieren. Wenn das Abbauprogramm der Fed im nächsten Jahr voll hochgefahren ist, wird sie jährlich 400 Mrd. Dollar an Treasuries nicht mehr ersetzen. Zusammen mit den 600 Mrd. Neuverschuldung durch das Defizit suchen dann jährlich 1’000 Mrd. Dollar an Treasuries neue Käufer. Früher oder später wird sich der Kapitalmarkt die Frage der Qualität der USA als Schuldner stellen und deutlich höhere Zinsen verlangen. Dies wird Auswirkungen auf die Zinsen und die Börsen weltweit haben. Noch ist es nicht soweit. Viel Zeit für eine umfassende Reformierung des US-Staatshaushaltes bleibt aber nicht mehr. (SGKB/mc/ps)