St. Gallen – Die Angst vor einem starken Anstieg der Inflation und damit deutlich höheren Zinsen hat die Anleger erfasst und die Aktienkurse 10% fallen lassen. Deutlich höhere Inflationsraten sind effektiv eine Gefahr für die Märkte. An diesem Punkt sind wir aber noch nicht. Die Reaktion der Obligationen- und Aktienmärkte auf etwas höhere Stundenlöhne in den USA ist reichlich übertrieben.
Auslöser für den Stimmungsbruch bei den Anlegern war ein Anstieg der durchschnittlichen Lohnsteigerung in den USA im Januar auf 2.9%. Die monatlichen Schwankungen in dieser Erhebung sind aber gross und werden durch die Zusammensetzung der Datenbasis beeinflusst. Im Januar fallen üblicherweise die Zusatzstellen im Detailhandel für das Weihnachtsgeschäft weg. Zudem werden je nach Wetter Stellen in der Baubranche vorübergehend gestrichen. Beide Sektoren sind Tieflohnbereiche. Fallen diese weg, steigt der durchschnittliche Stundenlohn, ohne dass der Lohndruck in der Wirtschaft insgesamt zunimmt. Dass die Löhne in den USA mit der Zeit steigen werden, ist angesichts der tiefen Arbeitslosigkeit anzunehmen. Von den in den USA in guten Zeiten üblichen Lohnanstiegen von 3.5% bis 4.0% sind wir aber noch weit entfernt.
Inflationserwartungen im Zielbereich
Der Kursrutsch bei den Aktien wird mit Inflationsängsten und der Erwartung deutlich schnellerer Zinserhöhungen durch die Fed begründet. Die aus den Preisen inflationsgeschützter Anleihen berechneten Inflationserwartungen sind angestiegen. Sie steigen aber bereits seit dem letzten Herbst an und bis Anfang Februar hat das niemanden interessiert. Zudem befinden sich die langfristigen Inflationserwartungen heute auf dem Niveau, dass sie bereits vor einem Jahr hatten, bevor sie bis in den Sommer hinein wieder gesunken sind. Das von der Fed bevorzugte Mass der Inflationserwartung in fünf Jahren für die folgenden fünf Jahre bewegt sich mit 2.20% auf einem Niveau, dass ziemlich genau dem Zielwert der Fed entspricht. Es gibt daher keinen Grund für Hektik bei der amerikanischen Zentralbank. Sie wird den eingeschlagenen Weg der graduellen Zinserhöhungen weiterverfolgen und in diesem Jahr die Zinsen in drei bis maximal vier Schritten auf knapp über 2% anheben. Dieses Niveau wird die US-Wirtschaft nicht abwürgen.
Aktien und Zinsen: Zwei verschiedene Anlageinstrumente
Die Aktienmärkte kamen letzte Woche immer wieder unter Druck, wenn die Rendite der 10-jährigen US-Treasury-Note gestiegen ist. Seit Anfang Jahr hat sich diese von 2.40% auf 2.85% erhöht. Die ersten 0.30% dieses Anstiegs haben die Börsen nicht beeindruckt. Erst als die Marke von 3.00% als Damoklesschwert für die Aktien ins Spiel gebracht wurde, war der Schrecken da. Es gib keinen Grund, warum eine Rendite von 3% ein Problem ist und zu grossen Transfers aus den Aktienmärkten in die Obligationen führen sollte. Aktien und Staatsanleihen sind zwei grundsätzlich verschiedene Anlageinstrumente. Sollte es aus Angst zu dieser Bewegung kommen, werden die Renditen der Treasuries als sicherer Hafen zudem wieder sinken.
Steigende Zinsen sind nicht per Definition ein schlechtes Signal für Aktien. Schwierig wird es, wenn der Zinsanstieg unerwartet kommt, wie dies 2004 war, als die Fed überraschend die Zinsen erhöht hat. 2013 haben die Aktien auch negativ auf den «Tapering-Shock» von Ben Bernanke reagiert. In beiden Fällen haben sich die Aktienkurse rasch wieder erholt, da die steigenden Zinsen ein Zeichen dafür waren, dass sich die Wirtschaft verbesserte. Entscheidend für die Aktienmärkte sind zudem nicht die Renditen der langfristigen Obligationen, sondern die kurzfristigen Finanzierungsbedingungen, die durch die Fed bestimmt werden. Deshalb haben die Aktien in Phasen mit steigenden Zinsen oft über längere Zeit noch eine gute Kursentwicklung erlebt. (SGKB/mc/ps)