SGKB investment views: Die Banken bleiben die Achillesferse der Eurozone

SGKB investment views: Die Banken bleiben die Achillesferse der Eurozone
Von Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Die Türkei hat das Vertrauen der Finanzmärkte endgültig verloren. Die Türkische Lira ist schon seit Jahren unter Druck. Hohe Inflationsraten und Zweifel an der Handlungsfähigkeit der Zentralbank haben der türkischen Währung zugesetzt. Die US-Sanktionen gegen zwei Minister der Regierung haben dann den Damm letzte Woche brechen lassen, obwohl sie wirtschaftlich irrelevant sind. Die Lira hat gegenüber dem Dollar seit Ende Juli 30% an Wert verloren.

Das hilft den türkischen Exporteuren, macht aber auch die Importe 30% teurer. Für ein Land wie die Türkei mit einem massiven Leistungsbilanzdefizit von 6% des BIP ist das eine Rosskur, die die Inflation noch weiter in die Höhe treibt und die Wirtschaft an den Rand eines Zusammenbruchs bringt. Das ist ein Desaster für das Land und seine Bevölkerung. Mit einem Anteil der Türkei an der Weltwirtschaft von 1.0% ist der Effekt auf die Weltwirtschaft jedoch gering.

Dennoch haben die Finanzmärkte in Europa am Freitag fast panikartig auf den Wertzerfall der Lira reagiert. Insbesondere der Euro kam arg unter Druck. Gegenüber dem Dollar und dem Franken hat der Euro rund ein Prozent verloren. Meldungen der Europäischen Bankenaufsicht, dass sie mögliche Verluste europäischer Banken in der Türkei beobachte, haben die Anleger erschreckt.

Kredite europäischer Banken in der Türkei: 100 Milliarden Euro
Die türkischen Unternehmen und Banken haben sich im grossem Stil in Euro und in Dollar verschuldet, da die Zinsen deutlich tiefer waren als diejenigen in Lira. Vor allem spanische, französische und italienische Banken haben dies genutzt und in der Türkei Kredite von mehr als 100 Milliarden Euro vergeben. Durch den Wertzerfall der Lira wird es immer schwieriger, die entsprechenden Zinsen und Rückzahlungen in Euro oder Dollar zu leisten. Die Aktien und Obligationen der europäischen Banken haben am Freitag deshalb deutlich an Wert eingebüsst.

Die Banken in Europa sind weiterhin eine Problemzone. Anders als Irland oder Holland haben Italien und Frankreich nach der Finanzkrise die schmerzhafte Sanierung ihrer Banken nicht konsequent vorangetrieben. Vor allem die italienischen Institute sitzen nach wie vor auf riesigen Beständen an notleidenden Krediten und sind kapitalmässig schmal ausgestattet. Aber auch das Risikobewusstsein scheint sich in vielen Banken der Eurozone nicht verbessert zu haben. Auf der Suche nach mehr Rendite und mehr Geschäften waren türkische Unternehmen in den letzten Jahren gern gesehene Schuldner.

Fehlen einer starken und durchsetzungsfähige Bankenaufsicht
Die neu aufgestellte zentrale Aufsicht unter der Führung der Europäischen Zentralbank konnte sich bisher noch nicht als handlungsstarke Institution zeigen. Die durchgeführten Stresstests wirken harmlos und die aufgedeckten Probleme wurden nicht beseitigt. Es fehlen offensichtlich die notwendigen Kompetenzen und der politische Wille, die Banken zu schmerzhaften Entscheiden zu zwingen.

Solange das der Fall ist, bleiben die Banken eine Gefahr für die Eurozone. Bei jedem wirtschaftlichen Problem werden sie wieder in Frage gestellt. Die Finanzmärkte neigen dann dazu, die ganze Branche in Sippenhaft zu nehmen, obwohl viele Banken eine gute und verantwortungsvolle Geschäftspolitik verfolgen. Investitionen in Aktien und Obligationen europäischer Banken sind deshalb mit der notwendigen Vorsicht zu beurteilen und zu tätigen.

Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Herr Stucki hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Er führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 35 Mitarbeitenden. Er ist verantwortlich für die Verwaltung von Kundenmandaten und Anlagefonds im Umfang von 7,5 Milliarden Franken. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.

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