St. Gallen – Nach der Wahl Emmanuel Macrons zum Präsidenten Frankreichs herrschte in der EU Aufbruchstimmung. Der bekennende Europa-Fan Macron schwelgte in Vorstellungen, wie er die EU und die Eurozone reformieren und voranbringen will. Von einem Euro-Finanzminister und von europäischen Milliardeninvestitionen war die Rede. Der Devisenmarkt hat sich von der Euphorie Macrons anstecken lassen und den Euro zum neuen Liebling erklärt. Als sich im Frühsommer auch Mario Draghi ungewohnt optimistisch zur europäischen Konjunktur äusserte und ein Ende der EZB-Anleihenkäufe sowie höhere Zinsen in Aussicht stellte, waren die Devisenanleger nicht mehr zu halten. Die Phantasie für die Einheitswährung kannte kaum noch Grenzen, die Kursprognosen schossen nach oben und der Euro wurde gar zum «Safe Haven» erklärt. In der Folge stieg der EUR/USD-Kurs 13% und gegenüber dem Franken legte der Euro 10% zu. An den Futures-Märken wurden grosse Positionen im Hinblick auf einen noch weiter steigenden Euro aufgebaut.
Mittlerweile ist die Euphorie verflogen, obwohl es der Wirtschaft in der Eurozone so gut geht wie seit Jahren nicht mehr. Selbst in Sorgenländern wie Italien, Portugal und Griechenland nimmt die wirtschaftliche Zuversicht zu. Der Glanz von Emmanuel Macron aber verblasste rasch. Angekündigte Projekte wie die Arbeitsmarktreform werden zwar durch das französische Parlament durchgewunken, sind aber so abgeschwächt worden, dass sie kaum noch Wirkung entfalten werden. Um die Vorschläge für die Stärkung der Eurozone ist es ebenfalls ruhig geworden. Konkret wurden sie nie.
Wenig Unterstützung für Stärkung der Eurozone
Zudem ist der wichtigste Partner für Macron in dieser Frage mit sich selber beschäftigt. Seit Wochen versucht Angela Merkel, in Deutschland eine neue Regierungskoalition zu formen. Die politischen Standpunkte der FDP, der CSU und der Grünen sind dabei so unterschiedlich, dass aus Berlin in den nächsten Jahren kaum Reformen zu erwarten sind. Einer wird immer dagegen sein. Nur die Angst vor Neuwahlen mit einer gestärkten AfD hat den Abbruch der Jamaika-Übung bisher verhindert. Aber: Ohne die Zustimmung aus Deutschland läuft in Europa trotz grossen Auftritten Macrons nichts.
Mario Draghi hat sein «Versprechen» einer raschen Änderung der Geldpolitik auch nicht gehalten. Das Kaufprogramm wird zwar halbiert, aber noch lange nicht gestoppt. Zinserhöhungen sind erst ab 2019 zu erwarten. So lange wollen die Devisenanleger nicht warten. Die ersten haben schon angefangen, ihre Euro-Positionen wieder aufzulösen. Der EUR/USD-Kurs ist wieder 3% gesunken. Gegenüber dem Franken handelt der Euro bei 1.16 seitwärts.
Der Euro wird kaum abheben
Je länger der Euro nicht mehr zulegt, desto stärker werden die Verleiderverkäufe derjenigen, die auf einen starken Euro gesetzt haben. Solange es an den Finanzmärkten generell ruhig ist und solange der Optimismus der Anleger anhält, solange wird sich der Euro insbesondere gegenüber dem Franken gut halten können. Wenn die Unsicherheit unter den Anlegern jedoch steigen sollte, dann werden die Kommentare zum Euro wieder kritischer werden. Die ungebremste Schuldenzunahme, die strukturellen Schwachstellen innerhalb der Eurozone und die Reformunfähigkeit der Euroländer werden dann wieder zum Thema. Zudem wählt Italien im nächsten Jahr ein neues Parlament, mit unsicheren Ausgang. Für den Euro sind das keine positiven Vor-zeichen. Den EUR/CHF-Kurs erwarte ich deshalb in einem Jahr nicht bei 1.20, sondern bei 1.10. (SGKB/mc/ps)