SGKB investment views: Die EZB hat den richtigen Moment verpasst

Thomas Stucki

Von Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Die Fed wird im Juni mit grosser Wahrscheinlichkeit ihre Leitzinsen um weitere 0.25% anheben. Der Zinssatz für die Fed Funds wird dann bei knapp 2% zu liegen kommen. Bis in einem Jahr dürften es 3% sein. Die Fed wird sich damit ein Polster zugelegt haben, um bei der nächsten Wirtschaftsschwäche mit Zinssenkungen geldpolitische Impulse setzen zu können. Davon ist die EZB meilenweit entfernt.

Die Banken bekommen das Geld immer noch zu 0% und bezahlen für die Anlage des überschüssigen Geldes 0.4%. Die EZB kauft immer noch für 30 Mrd. Euro pro Monat Anleihen. Bevor Zinserhöhungen zu einem Thema werden, muss zuerst das Anleihenkaufprogramm gestoppt werden. Danach wird die EZB gemäss eigenen Aussagen noch ein paar Monate zuwarten, so dass mit einem ersten Zinsschritt frühestens im nächsten Frühjahr zu rechnen ist. Dabei wäre die Gelegenheit in den letzten Monaten günstig gewesen, sich mit höheren Zinsen etwas Luft zu verschaffen.

Die Wirtschaft in der Eurozone wächst seit drei Jahren stetig. Im letzten Jahr betrug das Wachstum für europäische Verhältnisse stolze 2.8%. Zudem war es breit abgestützt und konzentriert sich nicht nur auf die kleinen Länder Zentral- und Osteuropas sowie auf Deutschland. Die Arbeitslosenrate sinkt seit Jahren stetig und liegt bei 8.5%. Diese Zahl ist optisch hoch, wurde aber in der Vergangenheit nur 2007 unterboten, als die Arbeitslosigkeit 7.3% betrug. Die Verschuldung der Euroländer ist an den Finanzmärkten kein Thema mehr. Griechenland wird im Sommer als letztes Euroland aus dem Rettungsschirm verabschiedet und wird sich wieder selbstständig über den Kapitalmarkt finanzieren. Die Inflationsrate ist 2017 gesunken und liegt mit 1.2% deutlich unter dem Zielwert der EZB. Von deflationären Zuständen kann aber keine Rede sein. Zudem ist Rückgang der Inflationsrate auch auf die Aufwertung des Euro zurückzuführen. Der starke Euro ist für die Exportwirtschaft eine Belastung. Es darf aber nicht vergessen werden, dass der Aussenwert des Euro nicht tiefer ist als 2014, bevor die EZB ihre Geldschleusen öffnete.

Abkühlug in Europa
In den letzten Wochen hat die wirtschaftliche Dynamik in der Eurozone merklich nachgelassen. Im ersten Quartal betrug die Zunahme des BIP nur noch 0.4%, verglichen mit 0.6% in den beiden Vorquartalen. Die vorausschauenden Indikatoren wie der deutsche IFO-Index oder die Einkaufsmanagerindizes (PMI) haben auf hohen Niveaus deutlich nachgegeben. Zudem wird die restriktiver werdende Geldpolitik der Fed mit der Zeit die US-Wirtschaft bremsen. Die Finanzmärkte werden darauf mit Vorsicht, tieferen Aktienkursen und höheren Kreditrisikoprämien reagieren. In einem schlechteren Marktumfeld wird es für Länder wie Italien aber schwierig werden, die EZB als Nachfrager nach ihren Obligationen mit anderen Anlegern zu ersetzen. In einem solchen Umfeld wird es für die EZB nicht möglich sein, die Zinsen in der Eurozone anzuheben, ohne die Angst vor einer neuerlichen Eurokrise zu schüren.

Die Gefahr der Nullzinsen
Die EZB läuft Gefahr, mit Nullzinsen bei der nächsten zyklischen Abschwächung der Weltwirtschaft zu starten. Zinssenkungen als geldpolitische Reaktion fallen dann weg. Noch mehr Geld ins System zu pumpen, ist dann ihre wahrscheinlichste Massnahme. Es müsste aber sehr viel mehr Geld sein, damit noch eine Wirkung erzielt werden kann, denn in der Eurozone gibt es schon heute zu viel Liquidität. Die EZB kann versuchen, wie 2015 den Euro massiv zu schwächen, um die Exporte zu fördern. Ob dies die Amerikaner noch einmal akzeptieren werden, ist eine andere Frage.

Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Herr Stucki hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Er führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 35 Mitarbeitenden. Er ist verantwortlich für die Verwaltung von Kundenmandaten und Anlagefonds im Umfang von 7,5 Milliarden Franken. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.

St. Galler Kantonalbank AG
Die St.Galler Kantonalbank wurde 1868 gegründet und ist seit 2001 an der Börse SIX Swiss Exchange kotiert. Der Kanton St. Gallen hält als Mehrheitsaktionär 54.8% des Aktienkapitals. Als Universalbank bietet sie den Kunden in ihrem Heimmarkt die gesamte Palette von Finanzdienstleistungen an. In Zürich ist sie mit einer auf Vermögensverwaltung spezialisierten Niederlassung präsent. Mit ihrer umfassenden Dienst-leistungspalette betreut sie Privatkunden in der Deutschschweiz in allen Fragen der privaten Vermögensplanung und Vermögensverwaltung. Am 31. Dezember 2017 beschäftigte die St.Galler Kantonalbank Gruppe insgesamt 1233 Mitarbeitende und verwaltete Kundenvermögen von CHF 42.4 Milliarden. Das Stammhaus besitzt Staatsgarantie und das Aa1-Rating von Moody’s.

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