SGKB investment views: Die Geldpolitik ist nicht einfacher geworden

Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

Am Freitag haben die Aktienmärkte nach den Verlusten des Vortages zu einem Erholungsrallye angesetzt. Begonnen hatte dieses in den USA bereits am Donnerstagabend, nachdem Präsident Biden die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland bekanntgab. Überraschendes war dabei nicht zu hören. Die Angst vor höheren Energiekosten und deren negativem Einfluss auf die Wirtschaft der westlichen Länder nahm jedoch zu. Die Finanzmärkte reagierten darauf nicht wie eigentlich zu erwarten wäre mit tieferen Aktienkursen, weil die Unternehmen weniger verdienen. Vielmehr machte die Geschichte die Runde, dass die Fed nun die Zinsen nicht mehr so schnell erhöhen könne. Die zuletzt arg gebeutelten Technologieaktien waren wieder der Renner.

von Thomas Stucki, CIO St.Galler Kantonalbank

So einfach ist die Geldpolitik aber nicht. Die in den Himmel schiessenden Prognosen für immer mehr und immer raschere Zinserhöhungen basierten auf hohen Inflationsraten und weit verbreiteten Ankündigungen von Preiserhöhungen durch die Firmen. Höhere Energiepreise sind dabei einer der wichtigsten Treiber. Hohe Energiepreise – aber wie lange?

Dass die russischen Lieferungen von Erdgas und Erdöl in nächster Zeit abnehmen werden, ist wahrscheinlich. Dazu braucht es keinen angedrohten Lieferstopp durch die Russen. Eine der wichtigsten Gaspipelines für Lieferung von Gas nach Westeuropa führt durch die Ukraine. Sollten die Öl- und Gaspreise steigen, wird sich das auf höhere Inflationsraten auswirken. Ob und wie das die geldpolitischen Entscheide der Zentralbanken beeinflussen wird, hängt vor allem davon ab, ie lange Preise hoch bleiben. Auf kurzfristige Preisschocks reagieren die Zentralbanken nicht. Wenn es aber lange geht, ändert sich das Preisverhalten der Firmen, wie man es momentan beobachten kann. Die Zentralbanken müssen in diesem Fall auf den zunehmenden Preisdruck mit restriktiveren Massnahmen reagieren.

Auf der anderen Seite müssen sie aber auch die Auswirkungen der Sanktionen auf das Wirtschaftswachstum und die Arbeitslosigkeit im Auge behalten. Das betrifft insbesondere die Eurozone, die stärker von russischen Energielieferungen abhängig ist als die USA. Aber auch das Verbot des Handels mit bestimmten Gütern wirkt sich negativ auf die Wirtschaft aus. Betroffen von diesen Einschränkungen sind jedoch einzelne Firmen und Sektoren, während die Belastung der Gesamtwirtschaft überschaubar ist. Ändern würde sich das bei einem lang andauernden Energieschock.

Abwägen vieler Faktoren
Nicht zuletzt müssen die Zentralbanken auch die Stabilität der Finanzmärkte in ihre Rechnung einbeziehen. Sollte es zu massiven Turbulenzen an den Märkten kommen, was glücklicherweise bisher nicht der Fall war, werden die Zentralbanken nicht mit Zinserhöhungen zusätzliche Unruhe schüren wollen. Die Zentralbanken sind bei so vielen Variablen, die sich auch noch gegenseitig beeinflussen, nicht zu beneiden. Die Geldpolitik ist in den nächsten Monaten kein Handwerk, sondern die Kunst des Balancierens auf einem schmalen Grat. Dabei hat es die Fed einfacher als die EZB. Sie wird aus heutiger Sicht an den vorgesehenen Zinserhöhungen ab dem März festhalten. Ich gehe davon aus, dass sie in diesem Jahr die Zinsen in vier Schritten um 1.00% anhebt. Ob die EZB die von mir im Dezember erwartete erste Zinserhöhungen vornehmen wird, ist dagegen unsicherer und hängt vom weiteren Verlauf der Ereignisse ab. Für die SNB heisst das, dass sie sich weiterhin auf den Franken konzentriert und bei Bedarf kurzfristig im Devisenmarkt eingreift, um den Kurs zum Euro zu stabilisieren. (SGKB/mc/pg)

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