SGKB Investment Views: Die Inflation ist nicht tot

Thomas Stucki

Von Thomas Stucki, CIO St. Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Das Wort «Deflation» ist aus den Äusserungen der Zentralbankvertreter und damit auch aus den Medien weitgehend verschwunden. Die Inflationsraten befinden sich mit -0.2% in den USA, 0.0% in der Eurozone und gar -1.1% in der Schweiz zwar immer noch im deflationären Bereich. Auch die Kerninflation ohne die Energie-und Nahrungsmittelpreise liegt mit 0.6% in der Eurozone und -0.4% in der Schweiz deutlich unter dem Zielwert der Zentralbanken von 2%. Einzig in den USA ist die Kernteuerung mit 1.8% weit weg vom Deflationsbereich. Die Inflationserwartungen, gemessen an den Renditen inflationsge­schützter Anleihen, haben sich in letzter Zeit ebenfalls erhöht.

Der Anstieg ist die Folge wieder höherer Erdölpreise und in seinem Ausmass nicht weiter bedenklich. Vielmehr ist es eine Korrektur der allzu tiefen Inflationserwartungen in diesem Frühjahr. Aufgrund fehlender Kapazitätsengpässe ist der Inflationsdruck in den westlichen Industrieländern gering. Die aktuell rückläufigen Preise sind primär auf die Sondereffekte «zusammengebrochener Erdölpreis» und «starker Franken» zurückzuführen.

Auslaufen des Basiseffekts
Beide Effekte werden ihren Einfluss mit der Zeit verlieren. Der Erdölpreis hat sich zu Jahresbeginn stabilisiert und ist seither um 30% gestiegen. Gemäss der Infla­tionsmathematik wird dies im nächsten Frühjahr vorübergehend zu deutlich höheren Inflationsraten führen. Wir gehen davon aus, dass die Energiepreise über die nächsten Monate einigermassen stabil bleiben werden, wobei der Trend weiter nach oben tendieren wird. Die Preissenkungen in der Schweiz aufgrund der Frankenstärke werden im Verlaufe des Jahres ebenfalls auslaufen. Die Inflationsrate wird aus den beiden genannten Gründen auch hierzulande im nächsten Jahr wieder in den positiven Bereich steigen.

Lohndruck nimmt zu
Auf die Politik der Zentralbanken wird die Inflationsentwicklung in nächster Zeit einen geringen Einfluss haben. Die Preise bewegen sich im für sie komfortablen Bereich. Aufzupassen gilt es aber auf die zukünftige Entwicklung der Löhne. Zwar steigen diese in den USA mit 2% pro Jahr noch unterdurchschnittlich stark an. Die Anzeichen mehren sich jedoch, dass der Lohndruck langsam zunimmt. So wechseln zurzeit so viele Personen freiwillig ihre Arbeitsstelle wie seit der Finanzkrise nie mehr. Auch wenn es die Finanzmärkte sich momentan kaum mehr vorstellen können: Die Zentralbanken werden schnell mit Zinserhöhungen reagieren, wenn sie das Gefühl haben, dass der Inflationsdruck zunimmt. Die Inflation zu früh als tot zu erklären und auf ewig mit tiefen Zinsen zu rechnen, wäre ein fataler Fehler. (SGKB/mc/ps)

Über den Autor
Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank (SGKB). Herr Stucki hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Er führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 30 Mitarbeitenden. Er ist verantwortlich für die Verwaltung von Kunden­mandaten und Anlagefonds im Umfang von CHF 4,4 Milliarden. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.

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