St. Gallen – Der Dezember 2018 war für die Anleger ein Monat zum Vergessen. Der Swiss Performance Index verlor fast 10% an Wert. Viele Aktien, insbesondere von mittleren und kleineren Firmen, büssten noch mehr ein. Die Kurse von Obligationen mit einem BBB-Rating fielen wie ein Stein um 10% oder mehr, wenn eine negative Meldung irgendwelcher Art verbreitet wurde. Die Angst vor einer bevorstehenden Rezession der Weltwirtschaft traf auf einen jahreszeitbedingt ausgetrockneten Markt. Verstärkt wurde die Bewegung durch trendorientierte Anlagemodelle, welche in der Abwärts-bewegung zusätzliche Verkaufssignale aussendeten und noch mehr Verkaufsvolumen auslösten.
Vier Wochen später sind die Verluste des Dezembers zu einem grossen Teil wieder aufgeholt. Dies obschon in den USA die Teilschliessung der Verwaltung grosse wirtschaftliche Verluste zur Folge hat, die chinesische Wirtschaft so wenig Wachstum aufweist wie seit 2009 nie mehr und sich Grossbritannien der Klippe eines ungeordneten Brexits nähert. Die Bewegung nach unten im Dezember war in ihrem Ausmass und in ihrer Geschwindigkeit zu stark, weshalb die Gegenbewegung im Januar gerechtfertigt ist. An der grundlegenden Ausgangslage hat sich aber nicht viel geändert. Deshalb wird sich in den nächsten Wochen zeigen müssen, ob das Nervenkostüm der Anleger wirklich wieder gefestigt ist, oder ob ein Windstoss genügt, wieder Unruhe an die Finanzmärkte zu bringen. Ein erster Test steht in dieser Woche bevor.
Neue Konjunkturdaten
Am Mittwoch trifft sich die Fed zu ihrer ersten geldpolitischen Sitzung in diesem Jahr. Zinsänderungen werden keine erwartet. Die Analysten werden sich jedoch auf die Begründung des Entscheides stürzen. Der Markt geht aktuell davon aus, dass der Zinserhöhungszyklus in den USA zu Ende ist. Hinweise darauf, dass dies nicht der Fall ist, könnten neue Wachstumsängste auslösen. Ich gehe davon aus, dass die US-Wirtschaft nach wie vor so stark ist, dass die Fed nach einer Pause im Sommer die Zinsen weiter anheben wird.
Diese Woche ist zudem voll gepackt mit wirtschaftlichen Daten, gekrönt am Freitag mit dem Arbeitsmarktbericht aus den USA für den Januar und dem Einkaufsmanagerindex ISM für die Industrie. Erwartet wird eine Bestätigung, dass die Jobmaschine auch zu Beginn des neuen Jahres auf vollen Touren läuft. Der ISM-Index dürfte besondere Beachtung finden, weil er im letzten Monat so stark gefallen ist. Ein weiterer starker Rückgang wäre für die Pessimisten der Beweis für den unweigerlichen Fall in die Rezession. Dabei ist unklar, wie stark die Wirtschaftsdaten in den USA durch den Shutdown verzerrt werden und wie aussagekräftig sie dadurch überhaupt sind.
Konjunkturabschwächung eingepreist
Diese Woche findet die nächste Gesprächsrunde zwischen den Handelsvertretern Chinas und der USA statt. Im Umfeld dürfte die Gerüchteküche brodeln, obwohl es kaum offizielle Meldungen über den Stand der Verhandlungen geben wird. Es ist auch mög-lich, dass Präsident Trump den Handelsstreit nutzen will, um nach seiner Schlappe mit dem Shutdown mit einem aggressiven Tweet gegen China Stärke zu markieren.
Es sind einige potenzielle Unruheherde im Raum. Es wird sich zeigen, wie fragil die Börsenlage noch ist. Ideal wäre, wenn nach dem starken Kursanstieg der letzten Wochen etwas Ruhe mit kleinen Tagesschwankungen bei den Aktienkursen einkehren würde. Die sich abzeichnende Abschwächung der Konjunktur ohne einen Fall in die Rezession ist in den aktuellen Kursen weitgehend eingepreist. Ein Aufflammen der Rezessionsängste kann die Märkte aber wieder unter Druck bringen, auch wenn das aus meiner Sicht kaum begründet ist.
Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Herr Stucki hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Er führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 35 Mitarbeitenden. Er ist verantwortlich für die Verwaltung von Kundenmandaten und Anlagefonds im Umfang von 7,5 Milliarden Franken. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.