St. Gallen – Der amerikanische Kongress hat die Grundlagen für das Budget des Finanzjahres 2017/18 erarbeitet, das bis im Dezember verabschiedet werden muss. Zwar gibt es noch inhaltliche Unterschiede in den Vorlagen der beiden Kammern. Diese werden aber keine unüberwindbaren Hürden sein. In den Budgetentwürfen sind auch die Voraussetzungen dafür eingebaut, dass die Steuern für Unternehmen und Privatpersonen gesenkt werden können.
Mit tieferen Steuern sollen gemäss den Vorstellungen von Präsident Trump die Wirtschaft in den USA angekurbelt und Millionen von neuen Jobs geschaffen werden. Nun muss der Kongress das Vorhaben ausformulieren und beschliessen. Während dieses Prozesses wird die Vorlage in wesentlichen Teilen verändert werden. Am Ende dürften die Steuersenkungen weniger stark sein als heute gefordert und versprochen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Kongress irgendwelche Steuersenkungen beschliessen wird, ist jedoch hoch. Die Republikaner stehen unter grossem Druck, vor den Kongress-Wahlen im nächsten Herbst einen gesetzgeberischen Erfolg vorweisen zu können.
Tiefere Steuern = höheres Budgetdefizit
Tiefere Steuern bedeuten in erster Linie tiefere Einnahmen für den Staat. Wenn die Ausgaben nicht im gleichen Ausmass gekürzt werden, steigt das Budgetdefizit. Höhere Schulden sind die Folge. Ausgabenkürzungen in grösserem Stil sind in den USA nicht zu erwarten. Vielmehr sind zusätzliche Ausgaben für das Militär und für den Grenzschutz geplant. Die versprochenen Investitionen für den Ausbau und die dringend notwendige Erneuerung der Infrastruktur sind dabei noch nicht berücksichtigt. Höhere Steuereinnahmen aufgrund des stärkeren Wirtschaftswachstums werden es auch nicht richten. Dies wurde schon bei früheren Steuersenkungen unter den Präsidenten Reagan und Bush versprochen, hat aber nie funktioniert. Das dafür notwendige BIP-Wachstum von 4% ist eine Illusion. Ein massiver Anstieg der bereits heute hohen Schuldenlast ist vorprogrammiert.
Tiefere Steuern = höhere Zinsen
Tiefere Steuern sind ein starker fiskalischer Impuls für die Konjunktur. Für eine Wirtschaft in der Rezession oder am Anfang der wirtschaftlichen Erholung wäre dies eine passende Massnahme. Eine Volkswirtschaft im siebten Jahr des Aufschwungs, die mit einer Arbeitslosenrate von 4.2% nahe bei der Vollbeschäftigung ist, braucht diesen Impuls jedoch nicht mehr. Bis die tieferen Steuern zu wirken beginnen, vergehen zudem noch mindestens zwölf Monate. In dieser Zeit nähert sich die US-Wirtschaft noch stärker ihrem zyklischen Höhepunkt und die vorhandenen Kapazitäten werden noch stärker aufgebraucht. Der fiskalische Impuls kommt im dümmsten Augenblick. Es ist zu erwarten, dass die Fed einer Überhitzung der Konjunktur mit einer noch restriktiveren Geldpolitik zuvorkommen wird. Die Folge sind schneller und stärker steigende Zinsen mit der Gefahr, die Konjunktur früher als gewünscht abzuwürgen.
Steuersenkungen sind im Grundsatz zu begrüssen. Nur müssen sie im richtigen Moment beschlossen und eingesetzt werden. Wenn sie nur dazu dienen, populistische Versprechen einzulösen, verpuffen sie wertlos. Das einzige, was dann von ihnen noch übrigbleibt, ist eine höhere Schuldenlast. (SGKB/mc/ps)