St. Gallen – Seit Anfang Mai befindet sich der CHF/EUR-Wechselkurs in einem Abwärtstrend. In dieser Zeit ist der Kurs von 1.14 auf unter 1.09 gefallen, ein Wert der letztmals in Frühjahr 2017 vor den Wahlen in Frankreich erreicht wurde. Ein Anstieg der Sichtguthaben der Banken bei der SNB hat die Frage aufgeworfen, ob die SNB bereits am Devisenmarkt interveniert hat.
Während zwei Jahren hatte die SNB eine vergleichsweise ruhige Zeit. Der Euro ist bis auf 1.20 gestiegen und hat sich danach bei 1.14 stabil verhalten. Gegenüber dem US-Dollar pendelte der Franken um die Parität. Der Einbruch der Aktienmärkte im letzten Jahr hat auch nicht zu einer Flucht in den Franken geführt. Nun hat sich das Umfeld wieder gegen die SNB gewendet. Die Fed hat mit ihrer geldpolitischen Trendwende hin zu tieferen Zinsen eine neue Welle expansiver geldpolitscher Erwartungen ausgelöst. Von der Fed werden in den nächsten Monaten vier weitere Zinssenkungen erwartet. Die EZB wird im September zumindest den Einlagesatz senken müssen, um ihre gegenüber den Finanzmärkten ausgesprochenen Versprechen einzulösen. Zu allem Überfluss weckt Präsident Trump mit seiner Eskalation des Handelsstreits mit China die Angst vor einer globalen Rezession. Die Gefahr, dass der Franken als sicherer Hafen das Ziel einer noch stärkeren Aufwertungsspekulation wird, ist gestiegen.
Den Marktkräften überlassen
Gute Handlungsalternativen hat die SNB nicht. Sie kann den Franken den Marktkräften überlassen und nichts tun. Das ist die beste Option, solange es nicht zu einer schnellen Aufwertung des Frankens um fünf Rappen oder mehr kommt. Wenn sich die Gemüter rund um die Zinseuphorie und die Zölle wieder beruhigen, wird der Franken einen Teil der aktuellen Gewinne zum Euro wieder abgeben. Auf der anderen Seite steht die Belastung für die Schweizer Wirtschaft und die Gefahr eines Abrutschens der Inflationsrate in Richtung Deflation, wenn die Importpreise aufgrund des stärkeren Frankens sinken.
Die SNB kann ihren Leitzins auf -1.00% senken. Das ist die schlechteste Option. Die Wirkung von Zinssenkungen auf die Währung verpufft relativ rasch. Wenn die SNB die Zinsen nicht immer weiter senken will, was auf dem aktuellen Niveau nicht mehr möglich ist, steht sie schon in Kürze wieder vor der Frage, was gegen einen stärker werdenden Franken zu tun ist. Zudem verstärkt sie mit einer Zinssenkung die Auswirkungen der Negativzinsen. Die Banken geraten noch stärker unter Druck und werden die Weitergabe der Negativzinsen an ihre Kunden ausdehnen. Die Pensionskassen werden noch mehr Anlagerisiken eingehen müssen, um ihre Mindestrenditen zu erzielen. Der Immobilienmarkt wird noch heisser laufen. Für all diese Entwicklungen wird man den schwarzen Peter der SNB zuschieben, was ihrer Reputation schadet und die Gefahr erhöht, dass die Unabhängigkeit der SNB politisch in Frage gestellt wird.
Interventionen am Devisenmarkt
Bleiben weitere Interventionen am Devisenmarkt als wahrscheinlichste Option. Damit kann die SNB den Kurs des Frankens am direktesten beeinflussen. Zudem erhöht sie das Risiko für diejenigen, die auf eine Aufwertung des Frankens spekulieren. Wichtig ist, dass die SNB mit ihrer Strategie unberechenbar bleibt. Das bedeutet, dass sie kein vorbestimmtes Niveau im CHF/EUR-Kurs verteidigt, sondern flexibel agiert. Die Folge wird sein, dass die Bilanz der SNB noch grösser wird, was ihre politische Angriffsfläche vergrössert. Unter all den schlechten Optionen mit ihren negativen Nebenwirkungen ist die Ausweitung der Bilanz aber ein kleines Übel. (SGKB/mc/ps)