St. Gallen – Die EZB wird bis Ende Jahr ihr Programm zum Kauf von Anleihen einstellen und macht damit den ersten Schritt hin zu einer restriktiveren Geldpolitik. Von höheren Zinsen will sie jedoch bis in den Sommer 2019 nichts wissen. Hält sie sich an ihr Wort, ist mit der ersten Zinserhöhung frühestens im September 2019 zu rechnen. Die EZB macht damit das Leben der SNB nicht einfacher. Angesichts der guten Wirtschaftslage, der stetig zunehmenden Verschuldung der Schweizer Haushalte und der sich verbreitenden Exzesse im Markt für Renditeliegenschaften sollten die Zinsen in der Schweiz schon heute deutlich höher sein. Die SNB hat am letzten Donnerstag aber einmal mehr den Franken als zentrales Element ihrer Geldpolitik in den Vordergrund gerückt. Die SNB wird deshalb die Zinsen nicht vor der EZB erhöhen können, ohne eine ungewünschte Aufwertung des Frankens zu riskieren. Ich gehe davon aus, dass die SNB den Libor-Satz ebenfalls bis im September 2019 auf dem Stand von -0.75% belässt. Kann die SNB aber solange warten?
Die SNB ist per Gesetz dazu verpflichtet, für Preisstabilität in der Schweiz zu sorgen. Sie interpretiert Preisstabilität mit einer Inflationsrate zwischen 0% und 2%. Gemäss ihrer aktuellen Inflationsprognose steigt die Inflationsrate erst im ersten Quartal 2021 auf 2.2%, sofern die Zinsen bis dann bei -0.75% bleiben. Der Druck von der Inflationsseite auf die SNB ist noch gering. Die SNB wird aber nicht ewig warten können. Der Trend bei der Inflation in der Schweiz zeigt nach oben. Zudem reagiert die Inflationsentwicklung mit einer Verzögerung von zwölf bis achtzehn Monaten auf Veränderungen bei den Zinsen. Der Druck auf die SNB für höhere Zinsen wird im nächsten Jahr zunehmen, um nicht plötzlich zu spät zu sein. Bis im Herbst wird sie auf die EZB warten können, aber nicht viel länger.
Komplexes Zusammenspiel
Das Inflationsdilemma für die SNB wird zusätzlich komplizierter, da für die Inflation in der Schweiz der Franken eine zentrale Rolle spielt. Eine Aufwertung des Frankens drückt die Inflationsraten stark nach unten. Nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses 2015 ist die Inflationsrate innerhalb eines Jahres von 0% auf -1.4% gefallen. Löst die SNB aufgrund von Inflationsbefürchtungen mit höheren Zinsen eine Spekulation auf den Franken aus, kann rasch Deflation wieder zum Thema werden.
Die SNB hat in ihrem Bericht zur Finanzmarktstabilität erneut vor der Entwicklung im Immobilien- und Hypothekarmarkt gewarnt. Sie versucht, mit Massnahmen wie dem Antizyklischen Kapitalpuffer die Vergabe von Hypotheken durch die Banken zu bremsen. Der heisslaufende Markt für Renditeliegenschaften wird jedoch durch institutionelle Anleger wie Versicherungen und Pensionskassen getrieben. Da diese für die Käufe von Immobilien ihre eigenen Gelder einsetzen und nicht auf Bankkredite angewiesen sind, ist die Bremswirkung des Kapitalpuffers gering. Der Druck auf die Immobilienpreise wird erst abnehmen, wenn die Zinsen wieder deutlich höher sind als heute. Je länger die SNB damit zuwartet, desto grösser werden die Verzerrungen und desto schmerzhafter wird später die Korrektur dieser Verzerrungen sein.
Heikle Lage für die SNB
Sie wird an ihrer aktuellen Politik festhalten und hoffen, dass die EZB endlich zur Tat, sprich zu höheren Zinsen, schreitet. Diese Haltung ist aus meiner Sicht angemessen. Sollte die EZB aber über den nächsten Sommer hinaus an ihrer ultraexpansiven Geldpolitik festhalten, wird diese SNB-Politik nicht mehr zu halten sein. Die SNB-Führung wird dann zu schwierigen Entscheiden gezwungen werden. Die grösste Herausforderung wird dabei sein, die Abkehr von der aktuellen Politik der Schweizer Wirtschaft und den Finanzmärkten zu kommunizieren, ohne eine zu starke Spekulation auf die Aufwertung des Frankens zu provozieren. (SGKB/mc/ps)