SGKB Investment views: Die süsse Illusion des Basiseffekts

Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Ende Februar und Anfang März hat der Dow Jones Industrials Index als Reaktion auf den Ausbruch der Corona-Pandemie in Europa und den USA einen Kurssturz von 36% erlitten. Seit Mitte März hat er eines seiner grössten Rallyes der Geschichte hingelegt. Satte 33% hat er zugelegt. Somit ist der Einbruch an der Börse Schnee von gestern, könnte man meinen. Obwohl der prozentuale Fall und die prozentuale Gegenreaktion fast gleich hoch sind, ist aber nur rund die Hälfte der Kursverluste aufgeholt worden. Die tiefere Kursbasis lässt das Aktienrallye besser aussehen als es effektiv ist. Aber für die Psyche der Anleger ist es dankbar angenommener Balsam.

Das BIP in den USA ist im ersten Quartal um 4.8% gesunken, obschon im Januar und Februar die Wirtschaft noch auf vollen Touren lief. Für das zweite Quartal, in welchem der Corona-Lockdown voll durchschlagen wird, erwarten die Ökonomen einen Wachstumseinbruch von bis zu 30%. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in den USA anders als in Europa die Quartalszahlen des BIP-Wachstums mit dem Faktor vier annualisiert werden.

Drammatischer Einbruch -starke Gegenbewegung
Dennoch ist der Einbruch dramatisch. Präsident Trump hat letzte Woche erklärt, dass die Wirtschaft sich nach dem Sommer phänomenal erholen wird. Das ist nicht unrealistisch. Wenn der Lockdown in den nächsten Wochen aufgehoben wird und das Land zu einer gewissen Normalität zurückkehrt, wird auch die wirtschaftliche Aktivität wieder zunehmen. Ein BIP-Wachstum von mehr als 10% annualisiert liegt im dritten Quartal schon drin. Die Regierung wird das wahrscheinlich als das stärkste Wachstum in der Geschichte der USA feiern, dem Basiseffekt sei Dank. Die dannzumal immer noch Millionen von arbeitslosen Amerikanern werden das wahrscheinlich anders sehen.

Wenn über die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie gesprochen wird, geht es nicht mehr darum, ob die Wirtschaft in eine Rezession fällt und wie stark diese ist. Es ist mittlerweile allen klar, dass der Einbruch der Konjunktur gewaltig ist. Vielmehr werden Szenarien über die konjunkturelle Erholung skizziert und diskutiert. Ist es nun ein V, ein U oder doch ein L? Die Optimisten sehen bereits im nächsten Jahr alle Folgen der Pandemie getilgt während die Pessimisten über die nächsten Jahre keine Besserung sehen. Die Realität wird wahrscheinlich irgendwo dazwischen liegen. Die Wachstumsraten werden so hoch sein, wie schon lange nicht mehr, weil die Basis so tief ist. Ob die Wirtschaftsleistung im nächsten Jahr wieder auf dem Niveau vor der Krise sein wird, ist dagegen fraglich. Bei so starken Verwerfungen, wie wir sie momentan in der Wirtschaft sehen, braucht es seine Zeit, bis die zur Erholung notwendigen Anpassungen erfolgt sind.

Anleger schauen in die Zukunft
Die Anleger und die Börsen wird das aber nur am Rande kümmern. Sie leben im heute und morgen und nicht im gestern. Sie werden sich an den positiven Zahlen erfreuen und optimistisch in die Zukunft schauen. Die Arbeitslosenraten werden fallen. Was spielt es schon für eine Rolle, dass sie immer noch hoch sind? Die Gewinne der Unternehmen werden wieder steigen, aufgrund des schlechten 2020 sogar so eindrücklich, dass die Phantasie der Analysten leuchten wird. 2021 könnte ein gutes Börsenjahr werden, obschon die wirtschaftlichen Narben der Corona-Pandemie noch bei weitem nicht verheilt sind. (SGKB/mc/ps)

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