SGKB Investment views: Die Welt für den Euro sieht wieder rosig aus, zu rosig?

SGKB Investment views: Die Welt für den Euro sieht wieder rosig aus, zu rosig?
Von Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Die eurofreundliche Achse Paris-Berlin erlebt nach dem Wahlsieg von Emmanuel Macron eine Neuauflage. EZB-Präsident Draghi äussert sich positiv über die Wirtschaftsentwicklung in der Eurozone, was den Euro zum Franken über 1.10 ansteigen lässt. Sind die Probleme und Bedenken gegenüber dem Euro aber wirklich vom Tisch?

Für den Euro sprechen vor allem die beiden in der Einleitung erwähnten Aspekte. Die deutliche Niederlage Marine Le Pens hat gezeigt, dass es im heutigen Europa nicht möglich ist, mit dem Austritt aus dem Euro eine Wahl zu gewinnen. Die Leute mögen den Euro nicht lieben, auf das Experiment eines Austritts wollen sie sich aber nicht einlassen. Die deutliche Mehrheit Macrons und das damit verbundene Signal gibt nun die Gelegenheit, Reformen umzusetzen oder zumindest anzugehen.

Gute Konjunktur stützt
Ein europäischer Finanzminister, die zentrale Finanzierung von Investitionsvorhaben über einen Europäischen Investitionsfonds sowie eine zentrale Aufnahme von Geld über Eurobonds sind wieder ein Thema. Unterstützt wird diese Diskussion durch eine bessere Wirtschaftslage. Das Wachstum in der Eurozone ist stärker als in der Schweiz und auch als in den USA. Die Arbeitslosigkeit ist zwar hoch, sinkt aber seit zwei Jahren stetig. Das wird die EZB dazu bewegen, ihre expansive Geldpolitik zu überdenken und spätestens im nächsten Jahr restriktiver zu werden. Zinserhöhungen werden im Herbst 2018 auch ein Thema werden. Die Erfahrung mit dem Dollar und der Fed zeigt, dass im Vorfeld der ersten Zinserhöhung die Phantasie für die Währung steigt, und damit auch deren Kurs.

Strukturelle Ungleichgewichte bleiben
Viele der grundlegenden Probleme der Eurozone sind aber nicht gelöst. Am offensichtlichsten ist die Schuldensituation der Südländer. Griechenlands unhaltbare Finanzlage poppt immer wieder auf und muss durch neue Kredite besänftigt werden. Italien macht keine Anstalten, sein Schuldenproblem zu lösen. Das Land ist zudem vollauf damit beschäftigt, seine Krisenbanken über Wasser zu halten, am liebsten mit staatlichen Hilfen. Das grösste Problem bleiben aber die strukturellen Ungleichgewichte zwischen Nord und Süd. Diese werden bestehen bleiben und können nur über einen Finanzausgleich wie wir ihn in der Schweiz zwischen den Kantonen kennen, ausgegli-chen werden. Solche Transferzahlungen in Deutschland den Bürgern und Steuerzahlern zu verkaufen, wird schwierig sein. Spätestens bei der nächsten wirtschaftlichen Schwächephase werden die Probleme des Euro deshalb wieder ans Licht und an den Devisenmarkt zurückkommen.

Der Euro wird in den nächsten Wochen und Monaten von der EZB-Fantasie profitieren. Es ist deshalb gut möglich, dass er zum Franken noch weiter in Richtung 1.11 oder gar 1.12 steigen kann. Auf die Dauer wird er sich dort aber nicht halten. In einem Jahr, wenn die EZB-Euphorie abgeklungen ist und in der französischen Politik das Gold von Versailles nicht mehr so glänzt, wird der Euro wieder schwächer werden. Zum Franken wird er dann wieder in Richtung 1.06 bis 1.08 absinken. Die SNB wird sich dagegen nicht wehren. (SGKB/mc/ps)

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