St. Gallen – Plötzlich sieht die Welt rabenschwarz aus und die Aktienmärkte werden durchgeschüttelt. Der S&P 500 verliert innerhalb einer Woche an zwei Tagen jeweils fast 3%. Die Aktien kleinerer und mittlerer Firmen in der Schweiz sind 18% weniger wert als noch vor zwei Monaten. Die Angst vor steigenden Zinsen führt zu einer Flucht in die als sicher beurteilten Staatsanleihen hoch verschuldeter Staaten. Geändert hat sich in den letzten Wochen dabei nicht allzu viel.
Die politischen Risiken wie der Handelsstreit zwischen den USA und China, die Budgetfrage in Italien und das ungelöste Brexit-Verfahren sind die gleichen. Sie werden einfach von den Anlegern anders beurteilt. Wurden die Risiken zuvor negiert, werden sie nun als übermässig drohend empfunden. Beides ist falsch, hat aber auf die Entwicklung an den Finanzmärkten einen starken Einfluss und kann sich über eine längere Zeit halten. Am Ende werden die Finanzmärkte jedoch durch die realen wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt.
Der Weltwirtschaft geht es nach wie vor gut. Das Wachstum der letzten Jahre hat aber die Kapazitätsreserven aufgebraucht und zu einer Sättigung der Konsumenten und Unternehmen geführt. Es ist nicht mehr möglich, die Wachstumsraten immer weiter zu steigern. Vielmehr schwächt sich die Dynamik des Wachstums nach der Hochkonjunktur zwischen dem Sommer 2017 und dem Sommer 2018 ab. Das ist im Wirtschaftszyklus ein normaler Prozess.
Die Risiken im Vordergrund
Die restriktivere Geldpolitik der Fed verursacht plötzlich Ängste, obschon die Zinsen schon seit drei Jahren steigen. Politische Risiken wie die unstrukturierte und auf Effekthascherei ausgerichtete Handelspolitik der Amerikaner wirken sich negativ auf die Investitionen der Unternehmen aus. Die Konsumenten werden unsicher und geben das Geld nicht mehr mit vollen Händen aus. Der wirtschaftliche Datenkranz ist in diesem Umfeld zwar immer noch gut, aber nicht mehr überragend. Die hohen Erwartungen an die Daten werden nicht mehr übertroffen und die Suche nach den Anzeichen für ein schwächeres Wachstum beginnt. Die Folge dieses Übergangs ist ein Wechselbad der Gefühle und ein Auf und Ab an der Börse.
Die Anleger sind daran, sich vom Gedanken einer stetig steigenden Wirtschaftsdynamik und der damit verbundenen Erwartung stetig stärkerer Gewinnsteigerungen der Unternehmen zu verabschieden. Das zeigt sich daran, dass die Aktien einzelner Firmen übermässig mit Kursverlusten abgestraft werden, wenn sich Risse in den Gewinnprognosen zeigen. Ein rechter Teil dieses Prozesses ist vorbei. Das heisst nicht, dass die Aktien dieser Unternehmen trotz tieferer Bewertungskennzahlen nun billig sind. Die Kurse widerspiegeln lediglich realistischere Perspektiven, als dies vorher der Fall war.
Auf und Ab an der Börse wird noch eine Weile weitergehen
Es wird anhalten, solange die Erwartungen an die zukünftige Wirtschaftsentwicklung nach unten geschraubt werden. In diesem Prozess wird es zu weiteren Kursverlusten bei den Aktien kommen. Der Boden wird dann erreicht sein, wenn sich die Erkenntnis durchsetzt, dass es nicht zu einer scharfen Rezession wie 2009 kommen wird. Für eine solche Rezession fehlen die Voraussetzungen wie ein Abwürgen der Konjunktur durch eine zu restriktive Geldpolitik oder das Platzen einer Blase an den Finanzmärkten, welche das Finanzsystem in Gefahr bringt.
Von dieser Erkenntnis sind wir aber noch entfernt, da wir uns erst am Anfang der wirtschaftlichen Abschwächung befinden. 2019 wird deshalb ein schwieriges Börsenjahr sein. Sich von den Aktien zu trennen, wäre aber verfehlt. Der nächste Aufschwung und damit wieder höhere Aktienkurse kommen bestimmt. Irgendwann im Vorfeld werden die Börsen beginnen, diesen Aufschwung vorwegzunehmen und die Euphorie übernimmt wieder das Szepter. Dann muss man in den Aktien investiert sein, um davon zu profitieren. In der Zwischenzeit ist es wichtig, auf Unternehmen zu setzen, die die wirtschaftliche Schwächephase gut überstehen werden. (SGKB/mc/ps)