SGKB investment views: Die Zinsen wollen einfach nicht steigen
St. Gallen – Anfang Februar sind die Aktienmärkte um 10% eingebrochen. Die Rendite der 10-jährigen US-Treasury Note ist im Januar von 2,4% in Richtung 3,0% gestiegen, was unter den Anlegern Zins- und Inflationsangst geweckt hatte. Die Prognosen, wie stark die US-Zinsen in die Höhe schnellen werden, sobald die 3% überschritten sind, wurden immer verwegener. Seither ist ein halbes Jahr vergangen und die Rendite des 10-jährigen Treasury ist immer noch bei 2,85%. Das gleiche Bild zeigt sich in der Schweiz. Der Zinsanstieg vom Januar ist im Sommer weggeschmolzen wie der Schnee in den Alpen.
Dass die 3% für den 10-jährigen Treasury eine so harte Marke darstellt, ist bemerkenswert. Verschiedentlich ist die Rendite in diesem Jahr über 3% gestiegen. Halten konnte sie sich dort aber nie über eine längere Zeit. Dabei sind 3% für US-Verhältnisse kein hohes Renditeniveau. Vor der Finanzkrise 2008 bewegte sich der 10-jährige Zins regelmässig zwischen 4% und 5%, auch in wirtschaftlich schwächeren Zeiten als heute. Kommt hinzu, dass die Fed seit dem Februar die Geldmarktzinsen in zwei Schritten um 0,5% angehoben hat und mit grosser Wahrscheinlichkeit Ende September die nächste Zinserhöhung von 0,25% folgen lassen wird.
Flachere Zinskurve
Die Differenz zwischen den 2-jährigen und den 10-jährigen Zinsen beträgt nur noch 0,25%. Noch erstaunlicher ist der Stopp bei den Renditen angesichts der Entwicklung bei den Inflationsraten. Die nominelle Inflationsrate ist von 2,1% auf 2,9% gestiegen. Real verdient man mit einer 10-Jahres-Anlage in amerikanischen Staatsanleihen somit nichts mehr. Auch die Kernrate der Inflation ohne den Einfluss der deutlich höheren Ölpreise ist von 1,8% auf 2,4% gestiegen. Die Realrenditen sind heute deutlich tiefer als die 1,5% bis 2,0%, welche in der Vergangenheit üblich waren. Gleichzeitig nimmt das Angebot an Treasuries zu. Die Fed ist daran, ihre Bilanz zu verkleinern und ersetzt monatlich 30 Mrd. Dollar an auslaufenden Treasuries nicht mehr. Die Schwellenländer, allen voran China, kämpfen mit schwächelnden Währungen und müssen einen Teil ihrer traditionell in US-Treasuries investierten Devisenreserven verkaufen. Zudem steigt das amerikanische Budgetdefizit durch die Steuersenkungen und durch höhere Ausgaben massiv an. Das US-Finanzamt muss mit immer höheren Emissionen den Kapitalmarkt anzapfen.
Warum die Renditen trotzdem nicht steigen, darüber kann nur spekuliert werden. Es kann sein, dass die Investoren der US-Wirtschaft nicht trauen und davon ausgehen, dass die Fed die Zinsen nicht mehr weiter erhöhen kann. Die Verflachung der Zinskurve mit der Möglichkeit, dass die Zinskurve in den nächsten Monaten gar invers wird, lässt diese Spekulationen wachsen. Auf der anderen Seite steigen die Kreditrisikoprämien für Unternehmensobligationen in den USA nicht an. Der Credit Spread für High Yield-Anleihen schwankt in einem Band zwischen 3,0% und 3,7% seitwärts. Die Angst vor Zahlungsausfällen in dieser Schuldnerkategorie ist gering.
Höhere Inflation
Es kann sein, dass die Anleger dem Anstieg der Inflationsraten nicht trauen. Die aus den Inflation Linked Bonds gemessenen langfristigen Inflationserwartungen haben sich nach dem starken Anstieg zu Jahresbeginn stabilisiert und halten sich bei 2,7%. Auch aus Umfragen bei Unternehmen und Konsumenten ist keine Angst vor deutlich steigenden Inflationsraten zu erkennen.
Hier liegt auch die Gefahr für die Obligationen. Ich gehe nicht davon aus, dass die US-Wirtschaft sich so schnell abschwächt. Die Fed wird daher an ihrem Programm regelmässig höherer Zinsen auch im nächsten Jahr festhalten. Angesichts der rasch schwindenden Arbeitsmarktreserven in den USA wird gleichzeitig die Inflationsrate weiter steigen. Plötzlich wieder aufkeimende Inflationsängste können plötzlich und im Moment unerwartet zum nächsten Renditeschub führen, analog zum Jahresbeginn. Ein Anstieg der 10-Jahresrendite innert Kürze auf 3,5% ist dann absolut möglich.
Wie die Vergangenheit immer wieder gezeigt hat, werden die Kapitalmarktzinsen in Europa und auch in der Schweiz stark durch die Entwicklung in den USA beeinflusst. Ein Schub der US-Zinsen würde unweigerlich auch in der Schweiz zu höheren Zinsen bei den längeren Restlaufzeiten führen.
Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Herr Stucki hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Er führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 35 Mitarbeitenden. Er ist verantwortlich für die Verwaltung von Kundenmandaten und Anlagefonds im Umfang von 7,5 Milliarden Franken. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.