SGKB Investment views: Die Zitterpartie für den Euro geht weiter

Thomas Stucki

Von Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Die erste Runde der Wahlen in Frankreich ist vorbei. Das schlimmste Szenario für den Euro, eine Stichwahl zwischen den beiden Euro-Gegnern Marine Le Pen und Jean-Luc Mélenchon ist nicht eingetreten. Das sichere Ufer hat die europäische Einheitswährung aber noch nicht erreicht. Auch wenn in zwei Wochen der bekennende Euro-Befürworter Emmanuel Macron zum Staatspräsidenten gewählt werden sollte, bleibt der Boden, auf dem sich der Euro bewegt, schwammig und unsicher.

Für den Moment ist es etwas ruhiger geworden. Das Thema Frankreich ist vom Tisch. Griechenland wird im Sommer die nötigen Hilfsmittel von der EU bekommen, nachdem die griechische Staatsrechnung besser abschliesst als angenommen und die Vorgaben der Geldgeber übertrifft. Die längerfristigen Probleme und Konstruktionsfehler des Euro sind damit aber nicht behoben.

Wenige finanzieren die Stabilität des Euro  
Das Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen Euro-Ländern ist weiterhin gross, was das Gebälk im Konstrukt Euro immer wieder knirschen lässt. Dies zeigt sich unter anderem in den Bilanzen des europäischen Zahlungssystems «Target». Die Forderungen Deutschlands gegenüber dem Euro-System sind auf 829 Mrd. Euro gestiegen. Auf der anderen Seite schuldet Italien dem System 386 Mrd. Euro und Spanien 361 Mrd. Euro. Auch die meisten anderen Euro-Länder weisen kleinere oder grössere Defizite auf. Ausnahmen neben Deutschland sind Luxemburg, die Niederlande und Finnland. Auffallend sind die hohen Forderungen des kleinen Luxemburg in der Höhe von 175 Mrd. Euro. Kurz gesagt: ein paar wenige finanzieren die Stabilität des Euro, allen voran Deutschland.

Kritiker werden einwenden, dass die Target-Saldi eine rein technische Grösse sind und durch Kapitalanlagen der Investoren bedingt sind. So erhöht der Kauf einer italienischen Anleihe durch einen Deutschen das Ungleichgewicht im Target-System. Das ist teilweise eine Erklärung der Differenzen, löst aber das Problem nicht. In einem System flexibler Wechselkurse würden die Ungleichgewichte durch Veränderungen im Wert der Währung ausgeglichen. Die D-Mark würde teurer und die Lira billiger, was die Konkurrenzfähigkeit Italiens auf dem Markt erhöhen würde. Auf der anderen Seite würde die deutsche Exportwirtschaft geschwächt.

Kaum tragbare Ungleichgewichte
Wenn der Ausgleich über die Währungen fehlt, bleiben die Ungleichgewichte bestehen und weiten sich weiter aus. Davon profitiert kurzfristig die deutsche Industrie, indem sie ihre Produkte «zu günstig» im Euroraum vertreiben kann. Auf die Dauer ist das aber nicht tragbar. Ausgeglichen kann das Ungleichgewicht durch die Mobilität der Leute und Unternehmen, indem sie vom schwächeren in den stärkeren Wirtschaftsraum ziehen. Dies funktioniert im «Währungsraum Dollar» aber nicht in Europa.

Die Alternative dazu ist ein noch stärkerer Finanzausgleich zwischen dem starken Deutschland und den schwächeren Südländern. Dies bedingt aber eine stärkere Einflussnahme und Kontrolle des Finanzgebarens der einzelnen Länder durch eine zentrale Stelle. Wer sich dem nicht unterordnen will oder kann, wird den Euro verlassen müssen. Auch die Ausgabe von zentralen Euro-Staatsanleihen wird wieder ein Thema werden. Andernfalls wird das Konstrukt Euro nicht auf einen sicheren Grund zu stehen kommen. (SGKB/mc/ps)

Exit mobile version