St. Gallen – Die Schweizer Wirtschaft ist im zweiten Quartal um 0.6% gewachsen. Dies ist deutlich mehr als die 0.3% der Eurozone und die 0.3% der US-Wirtschaft. Auch der europäische Musterknabe Deutschland hat mit einem Zuwachs von 0.4% das Nachsehen. Auf Jahresbasis beträgt das Wachstum in der Schweiz 2.0%, was über dem Durchschnitt der letzten dreissig Jahre von 1.75% ist. Das ist erfreulich und zeigt einmal mehr, wie anpassungsfähig und robust die Schweizer Wirtschaft ist. In Euphorie auszubrechen, ist aber nicht angebracht. Auch ist der „Frankenschock“ noch nicht überwunden, wie teilweise verbreitet wurde. Die privaten Investitionen waren im zweiten Quartal rückläufig und sind auch auf Jahresbasis ein Bremser. Die Firmen tätigen viele Investitionen lieber im Ausland und die Verlagerung von Produktionsstätten in den Euroraum oder noch weiter weg setzt sich unvermindert fort.
Für viele Firmen, die in den Euroraum exportieren oder sich in Konkurrenz zu Firmen aus dem Euroraum auf dem Weltmarkt behaupten müssen, sind die Margen sehr eng. Eine Aufwertung des Frankens ist für sie eine stetige Bedrohung. Umso wichtiger ist, dass es der Nationalbank gelingt, den Franken zum Euro seit mehr als einem Jahr stabil zu halten.
Viele Risiken
Dabei gab es genügend Gelegenheiten, den Franken als „save haven“ zu suchen und aufwerten zu lassen. Der drohende Zahlungsausfall Griechenlands, die Ängste um das Wachstum in China, der Zerfall der Rohstoffpreise um 50% und zuletzt der Brexit führten an den Finanzmärkten zu Kurseinbrüchen, ohne dass der Franken deutlich stärker wurde. Dass dies nur mit Hilfe von tatkräftigen Interventionen durch die SNB gelang, zeigt der Anstieg der Devisenreserven um 100 Milliarden Franken seit dem letzten Sommer. Davon ist knapp die Hälfte auf Bewertungsgewinne zurückzuführen, der Rest auf zusätzliche Verkäufe von Franken.
Flexible SNB
Es ist für die Nationalbank ein Vorteil, dass sie nicht mehr einen fixen Mindestkurs zum Euro verteidigen muss, den jeder kennt. Sie ist dadurch flexibler. Wenn der Druck auf den Franken zu gross wird, kann sie ihre Interventionen stoppen und eine Aufwertung von einem Rappen oder etwas mehr zulassen. Hat sich der Markt beruhigt, ist sie problemlos in der Lage, mit einem vernünftigen Aufwand das gewünschte Niveau im Kurs wieder herzustellen. Dies macht sie für den Markt unberechenbarer. Es ist gefährlich, gegen die SNB zu spekulieren.
Die SNB ist mit ihren Bemühungen für einen stabilen Franken so erfolgreich, dass man sich schon fast daran gewöhnt hat, dass ein Euro 1.08 oder 1.09 Franken kostet. Ich gehe davon aus, dass dieses Kursband in den nächsten Monaten Bestand haben wird. Die Erfahrung mit dem Mindestkurs von 1.20 zeigt jedoch, dass man nicht zu sorglos werden darf und auch andere Eventualitäten in seine Planung einbeziehen muss. (SGKB/mc/ps)