SGKB Investment Views: Eine Chance verpasst

SGKB Investment Views: Eine Chance verpasst

Thomas Stucki, CIO der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Man hätte meinen können, dass am letzten Donnerstagabend über die Zukunft der Menschheit entschieden würde. Die Finanzmedien, insbesondere die amerikanischen Spartensender, inszenierten die Publikation des Fed-Entscheides mit Count-Down und anderem Brimborium, als sei dies der wichtigste Moment der letzten 100 Jahre. Dabei wurde lediglich über den geldpolitischen Entscheid der Fed informiert, wie schon x-mal vorher und wie am 28. Oktober dieses Jahres wieder.

Bekanntlich wurden die Zinsen in den USA nicht angehoben, obwohl das Wirtschaftswachstum in den USA solide und breit abgestützt ist. Mit einer Arbeitslosenrate von 5.1% herrscht praktisch Vollbeschäftigung und die Zahl der offenen Stellen ist so hoch wie noch nie. Die tiefe Inflationsrate und die Unsicherheiten in China liessen die Federal Open Market Committee (FOMC)-Mitglieder jedoch zögern, die erste Erhöhung ihres Leitzinses seit fast zehn Jahren zu beschliessen. Das Spekulieren und Fabulieren über den Zeitpunkt des «Lift-offs» kann also weitergehen. Im Zentrum steht nun die übernächste Sitzung am 16. Dezember. Dies aus dem banalen Grund, dass erst dann wieder eine ordentliche Pressekonferenz nach der Sitzung geplant ist.

Die Aufregung kann weitergehen
Janet Yellen und ihre Kollegen haben letzte Woche eine Chance verpasst, um die Hysterie um diesen eigentlich schon lange fälligen ersten Schritt zu beenden. Die Finanzmärkte waren so gut vorbereitet, dass sie nach ersten hektischen Reaktionen in die eine oder andere Richtung zur Tagesordnung übergegangen wären. Nun beginnt die Geschichte von neuem. Dabei sagt ja auch Frau Yellen zu Recht, dass der Pfad und die Schnelligkeit des Zinserhöhungszyklus für die Wirtschaft und die Finanzmärkte viel wichtiger sind als der Zeitpunkt des ersten Schrittes.

Wieso nur …?
Problematischer als das Zögern, den ersten Schritt zu machen, ist die Kommunikation der Fed. Sie hat ihre Sorgen über die zu geringe Inflation und die Auswirkungen der Unsicherheit in China stark in den Vordergrund gerückt. Gleichzeitig geht die grosse Mehrheit der FOMC-Mitglieder immer noch von einer Zinserhöhung in diesem Jahr aus. Bis im Dezember wird der Inflationsdruck nicht deutlich ansteigen und die Probleme in China werden bis dann auch nicht gelöst sein. Wenn die Fed keine kommunikative Kehrtwende vollziehen will, kann sie die Zinsen in diesem Jahr nicht mehr anheben. Da stellt sich die Frage: Was soll eigentlich die Publikation der detaillierten Zinsvorstellungen ihrer Mitglieder

Comeback zur Zuverlässigkeit
Während den Finanzkrisen der letzten Jahre war es eine grosse Stärke der USA, dass sie sich auf eine entschlossene und konsequente Politik ihrer Zentralbank verlassen konnte. Die Fed ist daran, ihre Verlässlichkeit und damit ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren. Sie macht heute einen unsicheren und zögerlichen Eindruck. Es ist zu hoffen, dass Janet Yellen und ihre Kollegen zu einer zuverlässigen Geldpolitik zurückfinden. (SGKB/mc)

von Thomas Stucki, CIO der St.Galler Kantonalbank (SGKB)

Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Herr Stucki hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Er führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 30 Mitarbeitenden. Er ist verantwortlich für die Verwaltung von Kunden-mandaten und Anlagefonds im Umfang von CHF 4,4 Milliarden. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.

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