St. Gallen – Die Börse machte den Anlegern im vierten Quartal wahrlich keine Freude. Anstelle des erhofften Weihnachtsrallyes wurde die Stimmung immer trüber und die Nerven der Investoren immer flatterhafter. Die US-Aktien verloren fast 20%. Die hochgelobten Technologiewerte wie Apple oder Amazon wurden zum Sinnbild des scheinbar unausweichlichen Falls in die Rezession. Der Swiss Performance Index verlor «nur» 12%, wobei das Portfolio der meisten Anleger schlechter aussieht als die Indexentwicklung vermuten lässt. Der Verlust des SPI wurde durch die defensiven Schwergewichte Nestlé, Novartis und Roche gebremst, während die Aktien vieler kleinerer und mittlerer Firmen 25% oder mehr einbüssten.
Die Angst vor einer deutlichen Abschwächung der Konjunktur verunsicherte die Anleger. Die wirtschaftlichen Daten schwächten insbesondere in Europa ab, aber auch in der Schweiz. Das war nach dem starken Konjunkturschub zwischen Sommer 2017 und Sommer 2018 nicht anders zu erwarten. Zudem zeigten sich die negativen Auswirkungen des Handelsstreits zwischen den USA und China immer stärker, wobei die chinesische Wirtschaft stärker darunter zu leiden scheint. Schwächere Wirtschaftsdaten in China haben eine starke negative Ausstrahlung auf die Finanzmärkte, da für viele Firmen der chinesische Markt ein wichtiger Wachstumsmotor ist. Eine hüstelnde chinesische Wirtschaft belastet nicht nur die Aktienmärkte sondern auch die Rohstoffmärkte. Die Angst vor einer sinkenden Nachfrage drückte daher den Ölpreis um 40% und auch die Preise von Industrierohstoffen wie Kupfer kamen unter Druck.
Wie schon 2016
Die obgenannte Schilderung kommt bekannt vor. Sie hätte auch zu Beginn des Jahres 2016 geschrieben werden können. Zwischen August 2015 und Februar 2016 fiel der SPI 20% und der Preis für ein Fass Rohöl halbierte sich. Auslöser war das Platzen einer selbstgemachten Blase am chinesischen Aktienmarkt, welche Ängste um eine Abschwächung der Konjunktur in China auslösten. Die Wirtschaft in China durchlief effektiv eine schwächere Phase. Diese hatte aber mehr mit dem von der chinesischen Regierung geplanten Übergang von einer Industrie- zu einer Konsumwirtschaft zu tun, der nicht reibungslos verlief. Mitte Februar 2016 änderte sich die Stimmung und die Börsen setzten bis Ende 2017 zu einem massiven Kursrallye mit Gewinnen von 50% oder mehr an. Wird sich auch dieser Teil der Geschichte wiederholen?
Anpassung der Erwartungen
Die Stimmung an den Börsen wird sich verbessern, wenn die Wirtschaftsdaten wie 2016 wieder positiv überraschen. Das wird dann geschehen, wenn die Erwartungen tief genug nach unten angepasst wurden. In diesem Prozess sind wir schon weit fortgeschritten, aber noch nicht am Ende. Für die Trendwende zum Positiven müssen wir uns deshalb noch etwas gedulden. Die Konjunktur in den Industrieländern wird 2019 schwächer ausfallen, was am Ende eines Zyklus mit hohen Wachstums- und tiefen Arbeitslosenraten normal ist. Die befürchtete Rezession steht aber nicht vor der Tür. Diese Erkenntnis wird sich auch an den Märkten durchsetzen. Die Konsumenten werden ihr Geld wieder ausgeben und die Unternehmen gestoppte Investitionen wieder an die Hand nehmen. In der Folge werden die Wirtschaftsdaten die dann tiefen Erwartungen übertreffen und die Anleger die gesunkenen Aktienkurse als gute Gelegenheit betrachten.
Dass die Aktienkurse in den nächsten zwei Jahren wieder um 50% steigen, glaube ich nicht. Dafür ist der Konjunkturzyklus zu weit fortgeschritten und das Ende der ultraexpansiven Geldpolitik zu nahe. Dass die alten Höchstkurse der Aktienindizes in dieser Zeit jedoch wieder erreicht werden, ist gut möglich. (SGKB/mc/ps)