SGKB Investment views: Es ist ruhig am Bürkliplatz
von Thomas Stucki, CIO St. Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)
St. Gallen – Nächste Woche wird die SNB ihren geldpolitischen Entscheid fällen, einen Tag nach der Sitzung der US-Zentralbank. Im Gegensatz zu den Terminen im letzten Dezember und im März ist es im Vorfeld ungewöhnlich ruhig. Eine weitere Zinssenkung der SNB oder ein Schrauben an der Freigrenze für die Negativzinsen ist kaum Gegenstand von Diskussionen und käme einer Sensation gleich. Nachdem die EZB am letzten Donnerstag ihre Geldpolitik nicht verändert hat, gibt es für die SNB auch keinen Grund, mit einer weiteren Expansion vorzupreschen.
Der Franken hält sich zum Euro stabil im Band zwischen 1.08 und 1.11 und befindet sich aktuell am oberen Ende desselben. Der SNB ist es in den letzten Monaten gelungen, mit gezielten Interventionen aufkommende Aufwertungsphantasien für den Franken schon im Keime zu ersticken. Der Devisenmarkt hat wieder Respekt vor der SNB und beurteilt es offensichtlich als gefährlich, gegen sie zu spekulieren.
Wirksame Standbeinde der Währungspolitik
Geholfen hat der SNB neben den eigenen Interventionen auch die Schwäche des Dollars. Im Schlepptau eines stärkeren Euro zum Dollar wird der Euro auch zum Franken stärker. Die Kehrseite dieser erfolgreichen Währungspolitik ist jedoch, dass die Aufblähung der SNB-Bilanz unvermindert fortschreitet. Seit dem März haben sich die Einlagen der Banken um weitere 15 Milliarden Franken erhöht.
Das zweite währungspolitische Standbein der SNB neben den Interventionen ist die negative Zinsdifferenz zum Euroraum. Diese ist in den letzten Monaten stabil geblieben. Der Libor-Satz für dreimonatige Franken liegt 0.5% unter dem entsprechenden Geld-marktsatz für den Euro. Solange sich diese Zinsdifferenz nicht deutlich verengt, braucht die SNB nicht an der Zinsschraube zu drehen.
Stabile Lage
Auf der anderen Seite hat die SNB auch keinen Druck, ihre Geldpolitik zu straffen. Die Inflationsrate in der Schweiz hat im April einen Sprung nach oben gemacht. Die Kerninflation ohne den Einfluss der Energiepreise ist wieder auf der Schwelle zu positiven Werten. Dies ist aber in erster Linie die Folge des statistischen Basiseffektes. Die Preissenkungen des letzten Sommers aufgrund der Aufwertung des Frankens fallen nun aus der Berechnung hinaus. Von einem Anstieg der Inflation in Richtung der 2%, die von der SNB als Grenze der Preisstabilität betrachtet werden, sind wir weit entfernt.
Solange sich der Franken stabil ist, wird sich die SNB möglichst ruhig verhalten. Ich gehe davon aus, dass dies in den nächsten Wochen der Fall sein wird, auch wenn die Fed im Verlaufe des Sommers eine weitere Zinserhöhung vornehmen wird. Die SNB wird weiterhin eine Politik der gezielten Nadelstiche verfolgen, wenn sie das Gefühl hat, dass der Euro zum Franken unter das Band der letzten Monate sinken sollte. Dies einer «impliziten Untergrenze» bei 1.09 gleichzusetzen, ist aber falsch.
Wenn der Aufwertungsdruck auf den Franken aus irgendeinem Grund zu stark würde, werden die 1.09 nicht mit aller Gewalt verteidigt. Vielmehr wird die SNB in einem solchen Fall eine günstige Gelegenheit abwarten, um den Devisenmarkt zu überraschen und dann den Franken wieder zu schwächen. (SGKB/mc/pg)
Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Er hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Stucki führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 30 Mitarbeitenden. Er ist verantwortlich für die Verwaltung von Kunden-mandaten und Anlagefonds im Umfang von CHF 4,4 Milliarden. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.