St. Gallen – Am nächsten Donnerstag wird Mario Draghi den geldpolitischen Entscheid der EZB präsentieren. Es gab Zeiten, da bewegten ein paar Worte von Draghi den Euro und die Kurse an den Börsen. Die Entscheide der EZB waren Ereignisse, die die Schlagzeilen der Finanzmedien schon Wochen im Voraus dominierten. Die Spekulationen darüber, welche geldpolitischen Massnahmen „Super Mario“ aus dem Hut zaubern würde, gingen hoch. Mittlerweile hat Mario Draghi den Heldenstatus verloren und die Prognosen der Ökonomen und Analysten verlieren sich in technischen Details über Anpassungen im Anleihenkaufprogramm der EZB. Der grosse Wurf wird am nächsten Donnerstag nicht mehr erwartet.
Die EZB hat viel gemacht, um die Wirtschaft und die Inflation in der Eurozone anzukurbeln. Banken können das Geld bei der EZB gratis holen, werden aber mit einem negativen Einlagesatz von -0.4% bestraft, wenn sie überflüssige Liquidität wieder bei der EZB platzieren. Damit sollen sie zur Vergabe von Krediten gezwungen werden. Mit monatlichen Käufen von 80 Mrd. Euro kauft die EZB den europäischen Obligationenmarkt leer und verhilft so den Staaten der Eurozone sowie kapitalmarktfähigen Unternehmen und Organisationen zu billigem Geld. Ob sie ihre wirtschaftlichen Ziele damit aber erreichen wird, bleibt umstritten.
Das BIP in der Eurozone wächst seit 2013
Seit 2015 hat sich das Wachstum bei gut 1.6% stabilisiert. Dieses Wachstum lässt sich im Vergleich zu den anderen Industrieländern wie den USA oder Japan sehen. Anhaltend gross sind aber die Unterschiede innerhalb der Eurozone. Während Deutschland boomt und Spanien sich hochrappelt, kommt Italien nicht vom Fleck. Die Wirtschaft in Europa profitiert dabei nicht von neuen Bankkrediten oder von Investitionen durch die tiefen Zinsen. Vielmehr profitiert sie von der Abschwächung des Euro gegenüber dem Dollar um mehr als 20% im Jahr 2014, welche ein nicht unerwünschter Nebeneffekt der EZB-Politik war.
Auf die EZB-Anstrengungen überhaupt nicht reagiert hat die Inflationsrate in der Eurozone. Die Kernrate ohne den Einfluss der gesunkenen Energiepreise verharrt bei 0.8% und macht keine Anstalten, in die Zielregion der EZB von 2% zu steigen. Offensichtlich hilft das viele billige EZB-Geld nicht, die vorhandenen Überkapazitäten in der Wirtschaft abzubauen und den Firmen eine höhere Preissetzungsmacht zu geben. Angesichts einer Arbeitslosenrate von 10.1% ist dies nicht verwunderlich.
Verlorenes Vertrauen in die EZB
Damit kommen wir zu einem wichtigen Problem der EZB-Geldpolitik. Die vorhandenen positiven Impulse äussern sich in wirtschaftlichen Wachstumsstatistiken. Sie sind für die grosse Mehrheit der Bürger in der Eurozone aber nicht spürbar. Deshalb verliert die EZB an Vertrauen und ihre Massnahmen werden zunehmend negativ beurteilt. Fehlt das Vertrauen in die EZB, kann sie trotz grossen Anstrengungen keine positiven Signale mehr aussenden, welche die Unternehmen zu Investitionen und die Konsumenten zum Geld ausgeben animieren. Deshalb ist es wichtig und richtig, dass rund um die EZB etwas Ruhe einkehrt.
Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Herr Stucki hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Er führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 30 Mitarbeitenden. Er ist verantwortlich für die Verwaltung von Kunden-mandaten und Anlagefonds im Umfang von CHF 4,4 Milliarden. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.