SGKB investment views: Frankreich steht nicht vor dem Konkurs

Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

Wenn man die Schlagzeilen in den Finanzmedien und den Börseninformations-Tools während den letzten Wochen verfolgt hat, werden in Paris nächstens die Lichter ausgeschaltet. Der Sturz der Minderheitsregierung von Premierminister Barnier wegen des geplanten Sparbudgets hat die Schulden des Landes in der Höhe von 2’450 Mrd. Euro in das Scheinwerferlicht der Finanzmärkte gestellt. Der Risikoaufschlag der französischen Staatsanleihen gegenüber Deutschland ist auf 0.80% gestiegen, eine Verdoppelung im Vergleich zum üblichen Aufschlag der letzten Jahre. Als besonderes Damoklesschwert wird aufgeführt, dass der Aufschlag griechischer Anleihen gegenüber den deutschen Obligationen sogar etwas tiefer ist als derjenige der Trikolore. Dabei ist das vor allem ein Lob für die Griechen, die das Vertrauen der Anlegerinnen und Anleger wieder gewinnen konnten. Vor fünf Jahren mussten sie noch 3.50% mehr bezahlen als der deutsche Finanzminister.

von Thomas Stucki, CIO der St.Galler Kantonalbank

Dass das Finanzgebaren der französischen Politiker ein Problem ist, ist unbestritten. Das Budgetdefizit des Landes betrug im letzten Jahr 5.5% der Wirtschaftsleistung und war damit doppelt so hoch wie es die Maastricht-Kriterien für eine stabile Finanzpolitik in der Eurozone eigentlich zulassen würden. In diesem und mit grosser Sicherheit auch im nächsten Jahr wird das Ergebnis nicht besser ausfallen. Die Politiker auf der linken und der rechten Seite der faktisch inexistenten Mitte wollen das Geld mit vollen Händen ausgeben, um ihre Klientel bei der Stange zu halten. Die Bevölkerung ist reformunfähig, dafür umso demonstrations- und streikfreudiger. Der Schuldenberg des Landes, der aktuell 112% des BIP beträgt, wird weiter ansteigen. Irgendwann, am besten möglichst rasch, wird wieder mehr finanzielle Disziplin nötig sein, sonst werden die Schulden Frankreichs effektiv zu einem schweren Problem.

Finanzierung der Schulden nicht in Gefahr
Die Finanzierung der Schulden ist jedoch nicht in Gefahr. Der Zinsaufwand für die ausstehende Staatsschuld beträgt in Frankreich gemäss Angaben der OECD 2.3% des BIP. Gemessen an den Zinsaufwendungen Italiens von 3.8% oder denjenigen der USA von 4.5% des BIP ist das verkraftbar. Die Rendite einer 10-jährigen französischen Staatsanleihe liegt trotz des Risikoaufschlags lediglich bei 3.00%. Der durchschnittliche bezahlte Zinscoupon auf den aktuell ausstehenden Anleihen beträgt nur 1.69%. In den nächsten Jahren werden auch in der Eurozone die Zinsen tief bleiben. Dass Frankreich ernsthaft in einen finanziellen Engpass gerät, analog zu Italien und Griechenland während der Eurokrise, ist unwahrscheinlich.

Problem für die Eurozone
Dass die Diskussion um die Schulden Frankreichs so intensiv geführt wird, sagt mehr über den Euro und die Eurozone aus als über Frankreich. Bezeichnend ist, dass es nicht um einen möglichen Zahlungsausfall Frankreichs geht. Vielmehr steht im Raum, wann die EZB beginnen wird, französische Anleihen im grossen Stil aufzukaufen, um die Finanzmärkte zu besänftigen. Mario Draghi hat mit seinem «whatever it takes» den Euro kurzfristig gerettet, aber langfristig zu einem instabilen Gebilde werden lassen. Die Euroländer sehen sich nicht genötigt, ihre Finanzen im Lot zu halten. Die Investoren gehen davon aus, dass die EZB sie vor Verlusten schützt. In dieser Haltung wurden sie in den letzten Jahren durch das Verhalten der EZB immer wieder bestärkt. Sollten an diesem Muster Zweifel aufkommen, werden die Finanzmärkte den Euro jedoch fallen lassen und die Finanzierung der Schulden der Euroländer wird wirklich zu einem existenziellen Problem. (SGKB/mc/pg)

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