St. Gallen – Das Kaufprogramm für Anleihen der Europäischen Zentralbank im Umfang von 80 Mrd. Euro pro Monat läuft im nächsten März aus. Wird es verlängert? Wird es langsam reduziert oder gar gestoppt? Das Stichwort «Tapering» geistert an den Finanzmärkten herum.
Wir erinnern uns: Im Frühjahr 2013 hat der damalige Fed-Präsdent Bernanke verlauten lassen, dass die Fed ihr Programm zum Kauf von US-Treasuries reduzieren könnte. Das Tapering war geboren und hat die Rendite für den 10-jährigen US-Treasury innert eines Monats um 1.2% nach oben schnellen lassen. Dies hat auch die Zinsen in Europa und in der Schweiz mitgerissen. Die Rendite der 10-jährigen Eidgenossen-Anleihe sieg 0.6% auf aus heutiger Sicht hohe 1.20%. Die Aktienmärkte haben ebenfalls reagiert. Während der S&P500 «nur» 6% verlor, sanken die Kurse in der Schweiz um satte 13%. Kann das gleiche wieder passieren, wenn die EZB ein Tapering ihres Programms bekannt gibt?
Das Programm läuft nach Plan
Die EZB drückt mit ihren Käufen die Renditen der europäischen Obligationen nach unten. Wenn ihre Nachfrage nach Obligationen wegfällt, wird kurzfristig die Angst vor höheren Zinsen die Finanzmärkte erfassen und zu einem Renditesprung nach oben führen. Das Ausmass wird aber nicht vergleichbar sein mit 2013. Bernanke hatte die Märkte aus dem Nichts heraus überrascht.
Bei der EZB weiss man, dass die Kürzungen einmal kommen werden. Als die Fed im Dezember 2013 dann effektiv mit dem Kürzen ihres Programms begann, konnten die Finanzmärkte damit umgehen. Auch in der Eurozone werden sich die Märkte an weniger oder gar kein zusätzliches EZB-Geld gewöhnen. Aber im ersten Moment wird die Reaktion kommen. Das wird auch in der Schweiz kurzfristig zu einem Anstieg der Zinsen führen.
Geduld – Geduld
Am nächsten Donnerstag wird die EZB noch kein Tapering bekannt geben. Sie wird die nächsten Monate abwarten, bevor sie die Frage der Weiterführung ihres Kaufprogramms beantwortet. Das ist auch richtig so. Die EZB darf sich von den Finanzmärkten, die lieber heute als morgen eine Antwort auf ihre Fragen haben, in ihrem Entscheidungsprozess nicht unter Druck setzen lassen. Der Ausgang der Wahlen in den USA oder des Referendums in Italien über die Reform des Senats sind potenzielle Unruheherde. Wichtig wird auch sein, ob die Fed im Dezember die Zinsen in den USA anheben wird. Ein solcher Schritt würde den Spielraum für die EZB erhöhen, ihre Geldpolitik leicht restriktiver zu gestalten. (SGKB/mc)
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Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Stucki hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Er führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 30 Mitarbeitenden. Er ist verantwortlich für die Verwaltung von Kundenmandaten und Anlagefonds im Umfang von CHF 4,4 Milliarden. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.
St. Galler Kantonalbank AG
Die St.Galler Kantonalbank wurde 1868 gegründet und ist seit 2001 an der Börse SIX Swiss Exchange kotiert. Der Kanton St. Gallen hält als Mehrheitsaktionär 54.8% des Aktienkapitals. Als Universalbank bietet sie den Kunden in ihrem Heimmarkt die gesamte Palette von Finanzdienstleistungen an. In Zürich ist sie mit einer auf Vermögensverwaltung spezialisierten Niederlassung präsent. Mit ihrer umfassenden Dienstleistungspalette betreut sie Privatkunden in der Deutschschweiz in allen Fragen der privaten Vermögensplanung und Vermögensverwaltung. Am 31. Dezember 2015 beschäftigte die St.Galler Kantonalbank Gruppe insgesamt 1234 Mitarbeitende und verwaltete Kundenvermögen von CHF 36.2 Milliarden. Das Stammhaus besitzt Staatsgarantie und das Aa1-Rating von Moody’s.