St. Gallen – Der Jahreswechsel ist die grosse Zeit der Börsenausblicke. In diesem Jahr strotzen sie vor Zuversicht und lassen die Vorfreude der Anleger auf 2018 steigen. Auch ich erwarte einen erfreulicher Start ins neue Jahr. Die wirtschaftliche Dynamik ist so gross wie noch nie seit der Finanzkrise. Dabei beschränkt sich das Wachstum nicht nur auf die USA wie in früheren Jahren. Die Eurozone hat kräftig zugelegt und geht mit guten Aussichten ins neue Jahr. In China lassen uns die notleidenden Kredite der Banken und das undurchschaubare Schattenbankensystem die Stirne runzeln. Insgesamt ist sind jedoch auch von China und anderen Schwellenländern positive Wachstumsimpulse zu erwarten. Das wird die Unternehmensgewinne steigen lassen. Deshalb sehe ich für die Aktienmärkte einen erfolgreichen Start und das Potenzial für weitere Kursgewinne.
Je länger das Jahr aber dauert, desto bedrohlicher wird das Ende der Börsenhausse am Horizont auftauchen. Auslöser wird dabei der Übergang der US-Wirtschaft im Wirtschaftszyklus von der Wiederbelebung in die Boomphase sein. Die Boomphase zeichnet sich dadurch aus, dass die wirtschaftliche Lage nach wie vor sehr gut ist. Besser kann es nicht mehr werden, weshalb die Aktienmärkte beginnen, den unvermeidlichen Abschwung vorauszuahnen und mit Kursverlusten zu reagieren.
Signale zur Vorsicht
Vier Kriterien sind zu beachten, um den Übergang der US-Wirtschaft in den Boom zu erfassen. Drei davon sind aktuell erfüllt. Erstens steigen die Zinsen in den USA, insbesondere bei den kurzen Laufzeiten. Die Fed hat in diesem Jahr den Rhythmus der Zinserhöhungen erhöht und wird auch im 2018 weitere Zinsanhebungen folgen lassen. In der Folge wird sich die Zinskurve weiter verflachen. Eine flache oder gar inverse Zinskurve ist ein klassisches Zeichen dafür, dass das Ende der Hochkonjunktur naht. Zweitens wird es am Arbeitsmarkt immer enger. Die Arbeitslosenrate ist mit 4.1% auf einem Rekordtief. Die Rate der unterbeschäftigten Personen ist mit 8.0% wieder auf dem Niveau vor der Finanzkrise angelangt. Die 4 Mio. offenen Stellen zeigen zudem, dass die Suche nach qualifizierten Arbeitskräften schwieriger wird. Der dritte Punkt sind die gestiegenen Rohstoffpreise. Der Preis für ein Fass amerikanisches Erdöl ist seit dem Sommer von 42 Dollar auf 57 Dollar gestiegen. Industriemetalle wie Kupfer sind ebenfalls erheblich teurer geworden. Die Nachfrage nach Rohstoffen nimmt aufgrund der guten Entwicklung der Weltwirtschaft offensichtlich zu.
Warten auf Anstieg der Inflation
Das vierte Kriterium ist noch nicht erfüllt. Die Inflationsrate und die Löhne steigen trotz den Engpässen am Arbeitsmarkt nicht stark an. Ein stärkerer Inflationsdruck ist das fehlende Puzzleteil im Übergang der US-Wirtschaft zur Boomphase. Ich werde deshalb in den nächsten Monaten die Inflations- und Lohnentwicklung in den USA besonders beobachten. Ein stärkerer Anstieg der Stundenlöhne oder eine höhere Inflationsrate werden das Signal sein, sich am Aktienmarkt vorsichtiger zu positionieren, auch wenn auf die Wirtschaft dann noch Lobgesänge gesungen werden. (SGKB/mc/ps)