St. Gallen – Das Regierungsprogramm der geplanten Regierung in Italien könnte aus der Feder von Alexis Tsipras stammen. Als dieser Anfang 2015 die Macht in Athen übernahm, wollte er auch Rentenkürzungen rückgängig machen, Geld verteilen, Schuldenstreichungen verlangen und sich mit der EU anlegen. Was dann passierte, ist bekannt. Der Euro stand am Rand seiner grössten Krise, die Banken in Griechenland schlossen die Tore und der Finanzmarkt hat die Pläne von Alexis Tsipras beerdigt. In der Folge hat die Regierung Tspiras die Reformforderungen der Euro-Geldgeber umgesetzt, das Budgetdefizit durch Einsparungen und Steuererhöhungen beseitigt und Griechenland wirtschaftlich stabilisiert. Im Gegenzug wird dem Land in diesem Sommer wahrscheinlich ein Teil der Schulden erlassen, indem der Verfall der Kredite hinausgeschoben und der Zins deutlich gesenkt wird.
Italien ist nicht Griechenland. Es ist strukturell weniger schwach. Norditalien zählt gar zu den wirtschaftlich stärkeren Regionen in Europa. Zudem ist es deutlich grösser und damit für die Eurozone wichtiger. Das macht es für die anderen Euroländer schwieriger, Druck auszuüben. Auf der anderen Seite gibt es viele Parallelen. Die regionalen Unterschiede bezüglich der wirtschaftlichen Stärke sind enorm. Die Banken sitzen auf Bergen notleidender Kredite und sind de facto überschuldet. Die Verschuldung des Staates ist mit 130% des BIP sehr hoch. Die Steuerdisziplin ist tief und das Nichtbezahlen von Steuern ist ein Volkssport. Die nationale Politik wird von einer kleinen Gruppe von Egozentrikern betrieben, welche in erster Linie ihre persönlichen Ziele verfolgen. Entsprechend parallel reagieren auch die Finanzmärkte auf die Ereignisse in Italien.
Euro-Wechselkurs als Seismograph
Der Euro verlor Anfang 2015 deutlich an Wert. Gegenüber dem US-Dollar sank er von 1.25 auf 1.05. Der Druck auf den CHF/EUR-Kurs war so stark, dass die SNB die Euro-Untergrenze von 1.20 ins Leben rufen musste. Der Euro hat sich erst stabilisiert, als sich die griechische Regierung im Sommer 2015 den Forderungen der EU fügte und im Gegenzug Rettungskredite bekam. In den letzten Tagen hat der Euro sowohl zum Dollar als auch zum Franken über 4% an Wert verloren. Die Bewegung war so stark, dass in den nächsten Tagen ein vorübergehender Anstieg des Euro zu erwarten ist. Wenn die populistischen Parteien in Italien ihre Pläne aber durchziehen wollen, dann wird der Euro unter Druck bleiben und vor allem gegen den Franken weiter an Wert verlieren. Auf welchem Kursniveau die SNB wieder mit Interventionen den Fall bremsen wird, ist schwer zu beurteilen. Über 1.10 wird sie aber kaum aktiv werden.
Rating als Stolperstein
Für Italien wird nicht der Euro gefährlich werden, sondern die Refinanzierung seiner Schulden. Wenn die Rating-Agenturen das aktuelle BBB-Rating auf Junk senken, wird die EZB als Käuferin italienischer Staatsanleihen wegfallen. Die Kreditrisikoprämien auf den Anleihen werden dann noch einmal deutlich ansteigen und die italienischen Banken und Versicherungen unter Druck setzen. Diese sind die grössten privaten Halter italienischer Staatsanleihen. Besonders exponiert sind dabei die Intesa Sanpaolo, die Unicredit und die Generali Versicherung. Damit sind wir beim schwächsten Glied in der Kette und zurück in Athen. Wenn die Leute das Vertrauen in die Banken verlieren und ihr Geld abziehen, wird auch die Regierung in Rom einlenken müssen, um die Wirtschaft vor dem Kollaps zu retten. In Griechenland genügten dafür zwei Wochen mit geschlossenen Bankschaltern.
Es ist zu hoffen, dass der Einfluss des Staatspräsidenten Sergio Mattarella und der Banca d’Italia gross genug ist, um das skizzierte Szenario zu verhindern. Die Wahrscheinlichkeit ist aber gross, dass sich die Eurozone und die SNB auf einen ungemütlichen Sommer einrichten müssen. Positiv ist, dass sich die Befürchtungen um Italien bis jetzt nicht auf die anderen Südländer in der Eurozone übertragen haben. Die Eurozone als Ganzes wird trotz der Polemik um einen möglichen Austritt Italiens nicht in Frage gestellt. (SGKB/mc/ps)