SGKB Investment views: Janet Yellen wird unterschätzt
Von Thomas Stucki, CIO St. Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)
St. Gallen – Am Mittwoch wird die amerikanische Zentralbank das Ergebnis der FOMC-Sitzung veröffentlichen. Eine Zinserhöhung gilt als ausgeschlossen. Die Zinsauguren werden jedoch jedes Wort des Berichts im Hinblick auf Hinweise für die nächste Sitzung im Juni zerpflücken. Die Finanzmärkte erwarten auch im Juni nichts. Sie gehen davon aus, dass sich Janet Yellen angesichts der vielen Unsicherheiten in der Weltwirtschaft und den Finanzmärkten nicht zu einer weiteren Zinserhöhung durchringen kann. Ich bin da anderer Meinung. Wenn für sie die Daten aus der US-Wirtschaft stimmen, wird Janet Yellen nicht zögern, weiter an der Zinsschraube zu drehen.
Euphorie und Depression wechseln an den Finanzmärkten rasch. Das gilt auch für die Erwartungen betreffend der Geldpolitik der Fed. Aus meiner Sicht sind die Zinserwartungen zu tief gesunken. Ich erwarte im Juni die nächste Anhebung des Leitzinsen um 0.25%, gefolgt von einer weiteren Erhöhung um 0.25% im zweiten Halbjahr.
Die US-Wirtschaft nähert sich dem Top
Die US-Wirtschaft zeigt zwar Schwächen, insbesondere im Industriesektor. Auch der Absatz von langlebigen Konsumgütern wie neuen Autos kommt nach dem Rekordjahr 2015 ins Stocken. Auf der anderen Seite strotzt der Arbeitsmarkt vor Stärke und die Zahl der offenen Stellen ist so hoch wie noch nie. Die Wirtschaft nähert sich in ihrem Zyklus langsam dem Top, was sich nicht zuletzt in einem steigenden Inflationsdruck zeigt. Die Fed tut gut daran, die Zinsen weiter zu erhöhen, um die Kontrolle über die Inflation zu behalten.
Zeit für höhere US-Zinsen reif
«Graduell» ist dabei das Zauberwort der Fed. Damit lassen sich Janet Yellen und ihre Kollegen alle Optionen in der Geldpolitik offen. Die meisten Fed-Vertreter lassen aber keinen Zweifel daran, dass sie die Zinsen weiter anheben wollen. Janet Yellen hat auch nichts anderes gesagt, obwohl ihre letzten Äusserungen von den Finanzmärkten anders interpretiert wurden.
Die Fed will höhere Zinsen, um beim nächsten Wirtschaftsabschwung wieder Spielraum für Zinssenkungen zu haben. Zudem können die aktuell tiefen Inflationserwartungen plötzlich kippen. Ein unerwünschter Renditesprung nach oben wäre die Folge. (SGKB/mc/ps)