St. Gallen – Der Fed-Präsident Jerome Powell hat im Januar angekündigt, dass die Fed geduldig die weitere Entwicklung der US-Konjunktur und der Inflation abwartet, bevor sie die Zinsen weiter erhöht. Die Finanzmärkte haben gejubelt und die Rezessionsängste des Dezembers waren vergessen. Die Aktienmärkte quittierten die Aussicht auf anhaltend billiges Geld mit einem Kurssturm in Richtung der alten historischen Höchststände.
Dass die Fed nach zwei Jahren mit regelmässigen Zinserhöhungen eine Pause einlegt, um die Auswirkungen der restriktiveren Geldpolitik zu beobachten, macht Sinn. Geldpolitische Massnahmen wirken sich erst mit einer zeitlichen Verzögerung auf die reale Wirtschaft aus. Zudem haben sich die Risiken für die US-Wirtschaft aufgrund der offensichtlichen Schwäche in China und in Europa, sowie der politischen Unsicherheiten rund um die Strafzölle und den Brexit erhöht. Da die Gefahr eines Überschiessens der Inflationsraten über das Ziel von 2% nicht gross ist, hat die Fed den nötigen Spielraum, um zu warten. Der Entscheid der Fed hat indes nichts mit den lauten Forderungen von Präsident Trump nach einem Ende der Zinserhöhungen und mit seinen Angriffen auf Jerome Powell zu tun, sondern basiert auf einer vorsichtigeren Einschätzung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
Letzte Woche haben die Fed-Mitglieder an ihrer geldpolitischen Sitzung bekräftigt, dass sie in diesem Jahr keine Zinserhöhung mehr erwarten und dass auch in den nächsten zwei Jahren nur noch geringfügig höhere Zinsen wahrscheinlich sind. Der Finanzmarkt hat daraufhin seine Erwartungen verstärkt, dass der nächste Zinsschritt nach unten sein wird und dass dieser schon in Kürze erfolgen wird.
Eine US-Zinssenkung bis Ende Jahr gilt fast als gegeben
Aufgrund der Fed Fund-Futures gehen die Investoren mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% davon aus, dass bereits im Oktober die Zinsen in den USA sinken werden. Das gleiche Bild zeigt sich an den Obligationenmärkten. Die Zinskurve ist invers geworden, was oft als Rezessionsvorbote interpretiert wird. Dass die Renditen der langfristigen Anleihen unter den Geldmarktsatz gefallen sind, ist aber vor allem ein Ausdruck der Erwartungen, dass die Fed die Zinsen substanziell senken wird. Gleichzeitig befinden sich die durch die Aussicht auf billiges Geld stimulierten Aktienkurse praktisch auf Höchstständen. Die Anleger erwarten, dass Jerome Powell nun «liefert».
Dabei gibt es momentan keinen Grund für die Fed, die Zinsen zu senken Die Fed hat zwar ihre Prognose für das BIP-Wachstum reduziert, sieht aber sowohl für dieses Jahr als auch für die folgenden Jahre einen realen Zuwachs von rund 2%. Dieser Wert entspricht dem Potenzialwachstum der US-Wirtschaft und ist daher als solide zu betrachten. Die Fed erwartet auch keinen nennenswerten Anstieg der Arbeitslosenrate. Zudem erhöht sich der Druck nach oben auf die Löhne als Reaktion auf den zunehmenden Mangel an Arbeitskräften, was sich mit der Zeit doch in höheren Inflationsraten auswirken kann.
Wenn sich die US-Wirtschaft in den nächsten Monaten nicht markant abschwächt, wird die Fed die Zinsen nicht senken. Die Aktienmärkte werden mit Enttäuschung und Kursverlusten reagieren. Diese können vorübergehend auch stärker ausfallen. Mit den tieferen Aktienkursen werden die Angriffe von Präsident Trump auf die Fed und auf Jerome Powell wieder zunehmen. Wie wird Jerome Powell darauf reagieren? Wird er den Märkten entgegenkommen und einen expansiveren Ton anschlagen oder wird er Turbulenzen an den Finanzmärkten in Kauf nehmen, solange sie die mittelfristige Stabilität der US-Konjunktur nicht gefährden? Im Hinblick auf die Reputation der Fed als unabhängige Institution ist zu hoffen, dass Jerome Powell sich nicht beeindrucken lässt. Sonst wird er zur Geisel der Finanzmärkte und diese haben nicht die langfristige Stabilität von Inflation und Wachstum als Ziel, sondern den kurzfristigen Gewinn. (SGKB/mc/ps)